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VLT
Ein eigentlich unmöglicher Stern
Redaktion / idw / Pressemitteilung der Universität Heidelberg 
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1. September 2011

Astronomen haben mithilfe des Very Large Telescope der ESO einen Stern identifiziert, den es nach den gängigen Theorien der Sternentstehung gar nicht geben dürfte. SDSS J102915+172927 besteht nahezu ausschließlich aus Wasserstoff und Helium und könnte zu den ältesten Sternen zählen, die bislang entdeckt wurden.

SDSS J102915+172927

Ein Stern, den es gar nicht geben dürfte: Ein Team europäischer Astronomen hat den lichtschwachen und extrem metallarmen Stern SDSS J102915+172927 untersucht. Er muss aus der Frühzeit des Universums stammen und ist vermutlich mehr als 13 Milliarden Jahren alt. Bild: ESO/Digitized Sky Survey 2

Ein Team europäischer Astronomen unter Leitung einer Wissenschaftlerin der Universität Heidelberg hat einen Stern ausfindig gemacht, der nach herkömmlichem astronomischen Verständnis gar nicht existieren dürfte, da dieser nahezu ausschließlich aus Wasserstoff und Helium besteht und nur winzige Spuren anderer Elemente enthält. Mit dieser ungewöhnlichen chemischen Zusammensetzung fällt der Stern, der aus der Frühzeit des Universums stammt, in eine Art "verbotene Zone" der gängigen Theorie der Sternentstehung: "Danach hätte er eigentlich gar nicht erst entstehen können", so Dr. Elisabetta Caffau vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH). Die Ergebnisse der Untersuchungen, bei denen das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) zum Einsatz kam, werden heute im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht.

 Der extrem lichtschwache Stern im Sternbild Löwe trägt den sperrigen Namen SDSS J102915+172927. Er wurde im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey (SDSS), einem internationalen Projekt zur Durchmusterung bestimmter Bereiche des Himmels mit Hilfe von Spektrallinien, katalogisiert. Die Ziffern in seiner Bezeichnung entsprechen seinen Koordinaten am Himmel. Der Stern hat eine etwas geringere Masse als die Sonne und ist vermutlich mehr als 13 Milliarden Jahre alt.

Nach den Beobachtungen des europäischen Wissenschaftlerteams beinhaltet SDSS J102915+172927 im Vergleich zu allen bislang untersuchten Sternen den geringsten Anteil an chemischen Elementen, die schwerer als Helium sind. Die Eigenschaften des Sterns wurden mit Hilfe der beiden Spektrografen X-Shooter und UVES am Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile untersucht. Damit kann das Licht von Himmelskörpern in seine Farbbestandteile zerlegt werden, was den Astronomen etwas über die Häufigkeit verschiedener chemischer Elemente in der Atmosphäre eines Sterns verrät.

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Auf diese Weise haben die Forscher herausgefunden, dass der Gehalt von schweren Elementen in SDSS J102915+172927 rund 20.000-mal geringer ist als in der Sonne. Die Wissenschaftler konnten bei der ersten Messung nur ein einziges chemisches Element schwerer als Helium - nämlich Kalzium - nachweisen. Erst mit zusätzlichen Beobachtungen gelang es den Forschern aus Deutschland, Frankreich und Italien, noch weitere Metalle aufzuspüren. "Die allgemein akzeptierte Theorie besagt, dass Sterne wie dieser aufgrund ihrer geringen Masse und des extrem geringen Anteils an schweren Elementen gar nicht existieren sollten. Schon die Gas- und Staubwolken, aus denen ein solcher Stern entsteht, hätten sich nach dem gängigen astronomischen Verständnis gar nicht ausreichend verdichten können", erläutert Caffau, die an der Landessternwarte Königstuhl des ZAH forscht.

"Zum ersten Mal wurde ein Stern in einer 'verbotenen Zone' der Sternentstehung entdeckt. Das war für uns eine große Überraschung. Nun werden die Astrophysiker einige ihrer Modelle für die Entstehung von Sternen überdenken müssen", vermutet die Wissenschaftlerin. Kosmologen gehen davon aus, dass die beiden leichtesten chemischen Elemente Wasserstoff und Helium zusammen mit Spuren von Lithium kurz nach dem Urknall entstanden sind. Nahezu alle anderen, schwereren Elemente sind erst viel später gebildet worden, entweder durch Fusionsprozesse im Inneren von Sternen oder bei Supernova-Explosionen am Ende eines Sternlebens. Nach der Explosion wird das metallreiche Material mit dem interstellaren Medium, der Materie im Raum zwischen den Sternen, vermischt.

Aus diesem mit schweren Elementen angereicherten Material entsteht dann die nächste Sterngeneration. Diese neu entstandenen Sterne haben einen höheren Metallgehalt als die Generation zuvor. "Der Anteil an Metallen verrät daher auch, wie alt ein Stern ist, oder besser gesagt, wie viele Sterngenerationen das Material, aus dem er besteht, bereits durchlaufen hat", erklärt Caffau. "Dass SDSS J102915+172927 so extrem metallarm ist, bedeutet, dass dieser Stern aus der Frühzeit des Universums stammen muss. Möglicherweise handelt es sich um einen der ältesten Sterne, der jemals gefunden wurde."

Eine weitere Überraschung ist der Mangel an Lithium in SDSS J1072915+172927, denn ein so alter Stern sollte eigentlich in etwa dieselbe Elementzusammensetzung haben wie das Universum kurz nach dem Urknall. Der Lithiumanteil des Sterns ist jedoch fünfzig Mal geringer, als dies die Berechnungen zur kosmologischen Elemententstehung erwarten lassen würden. Für das europäische Forscherteam ist es bislang ein Rätsel, wie das Lithium, das sich zu Beginn des Universums gebildet haben muss, in diesem Stern zerstört wurde.

Die Wissenschaftler sind allerdings überzeugt, dass es sich bei diesem seltsamen Stern nicht um ein Unikat handelt: "Wir haben noch eine ganze Reihe von Kandidaten, die einen ähnlich geringen Metallgehalt haben könnten wie SDSS J102915+172927, vielleicht sogar einen noch geringeren. Deshalb wollen wir diese Sterne ebenfalls mit dem VLT überprüfen", so Caffau. So wollen sich die Astronomen Schritt für Schritt an die allererste Sterngeneration herantasten.

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