Einschlagwahrscheinlichkeit heute größer?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
1. August 2011
Ist der Einschlag eines Asteroiden oder Kometen heute
wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich als vor einigen Millionen Jahren?
Dieser Frage hat sich jetzt ein Astronom mit einer neuen statistischen Methode
angenommen. Er fand dabei keine Hinweise auf periodische Schwankungen der
Einschlagwahrscheinlichkeit, doch könnte sie in der letzten Zeit leicht
zugenommen haben.
Der
Barringer-Krater, auch als "Meteor Crater"
bekannt, in Arizona. Dieser Krater entstand vor
rund 50.000 Jahren beim Einschlag eines
Nickel-Eisen-Meteoriten. Am oberen Bildrand ist
das Besucherzentrum zu sehen.
Bild: MPIA/ National Map Seamless Viewer
/ US Geological Service |
Ist es heute wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich als vor
beispielsweise 20 Millionen Jahren, dass die Erde von einem Asteroiden oder
Kometen getroffen wird? Mehrere Studien waren in der Vergangenheit zu dem
Schluss gekommen, dass die Einschlagwahrscheinlichkeit im Laufe der
Jahrmillionen periodisch zu- und abnimmt. Nun hat eine neue Untersuchung von
Coryn Bailer-Jones vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) gezeigt, dass
es sich bei diesen behaupteten periodischen Veränderungen um statistische
Artefakte handelt. Seine Ergebnisse zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit eines
größeren Einschlags entweder gleich geblieben ist oder während der letzten 250
Millionen Jahre leicht zugenommen hat.
Gewaltige Einschläge von Kometen oder Asteroiden werden mit mehreren
Episoden massenhaften Aussterbens in Verbindung gebracht. Das bekannteste
Beispiel ist das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. Fast 200
Krater auf der Erdoberfläche, einige davon Hunderte von Kilometern im
Durchmesser, sind uns als Zeugen kosmischer Zusammenstöße erhalten geblieben.
Die Frage danach, ob sich die Einschlagwahrscheinlichkeit auf der Erde mit der
Zeit verändert, ist nicht nur von theoretischem Interesse. Diese Information
benötigen wir, um die Gefahr abschätzen zu können, die der Erde derzeit von
katastrophalen kosmischen Einschlägen droht.
Seit Mitte der 1980er Jahre haben eine Reihe von Autoren behauptet,
periodische Variationen der Einschlagwahrscheinlichkeit gefunden zu haben. Aus
den Kenndaten der auf der Erdoberfläche bekannten Krater, wichtig sind dabei vor
allem die Altersabschätzungen, leiten sie ein regelmäßiges Muster ab, in dem die
Einschlagwahrscheinlichkeit über Millionen Jahre hinweg (die Werte variieren
zwischen 13 und 50 Millionen Jahren) periodisch zu- und wieder abnimmt.
Einer der Mechanismen, die für solch periodische Variationen vorgeschlagen
wurden, ist die Bewegung unseres Sonnensystems relativ zur Scheibenebene unserer
Heimatgalaxie, der Milchstraße. Bei dieser Bewegung verändert sich der (sehr
geringe) Schwereeinfluss, den die umliegenden Sterne auf die Objekte in der
Oort'schen Wolke ausüben, einer gigantischen Ansammlung riesiger Brocken aus Eis
und Staub, die das Sonnensystem im Abstand von rund einem Lichtjahr umhüllt.
Aufgrund dieser Veränderungen verlassen einmal mehr, dann wieder weniger Objekte
die Oort'sche Wolke und machen sich als Kometen auf den Weg in das innere
Sonnensystem.
Spektakulärer ist die Annahme, unsere Sonne besäße einen bislang noch nicht
direkt nachgewiesenen Begleitstern, der provisorisch auf den Namen "Nemesis"
getauft wurde. Nemesis, so die Hypothese, soll eine lang gestreckte
(exzentrischen) Umlaufbahn besitzen, die sie mit der Zeit immer wieder in die
Nähe der Oort'schen Wolke führen und dadurch wiederum die Anzahl der Kometen
beeinflussen würde, die Kurs auf die Erde nehmen.
Für Coryn Bailer-Jones weisen diese Ergebnisse freilich nicht auf bislang
unentdeckte kosmische Phänomene hin, sondern auf subtile Probleme bei der
Anwendung herkömmlicher Statistik. "Menschen neigen dazu, auch dort Muster zu
sehen, wo gar keine existieren", erläutert Bailer-Jones. "Und in manchen
Situationen kann traditionelle Statistik den Anwender leider in dieselbe falsche
Richtung führen." Der Astronom wählte daher eine andere Methode,
Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, so genannte Bayes'sche Statistik, mit der
sich bei der Analyse der Kraterdaten die Probleme der traditionellen Statistik
vermeiden lassen.
Seine Untersuchung konnte einfache periodische Variationen anhand der
verfügbaren Daten mit großer Sicherheit ausschließen. Stattdessen zeigen die
Daten eine allgemeine Tendenz: Von vor rund 250 Millionen Jahren bis zur
Jetztzeit hat die Einschlagwahrscheinlichkeit, abgeschätzt anhand der zu
verschiedenen Zeiten entstandenen, heute noch nachweisbaren Krater, stetig
zugenommen. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen. Erstens könnte es sich
schlicht um einen Auswahleffekt handeln: Kleinere Krater erodieren schneller und
sind nach einer gewissen Zeit nicht mehr auffindbar, und ältere Krater haben
generell mehr Zeit zu erodieren und sich wieder mit Material zu füllen als
jüngere. Die nachgewiesene Tendenz kann also schlicht darauf beruhen, dass wir
größere, jüngere Krater einfacher nachweisen können als kleinere, ältere. "Wenn
wir nur Krater betrachten, die größer als 35 km und jünger als 400 Millionen
Jahre sind und bei denen die Erosion daher eine geringere Rolle spielt, finden
wir keine solche Tendenz", so Bailer-Jones.
Andererseits könnte zumindest ein Teil des Anstiegs real sein. Es gibt
Untersuchungen an Einschlagkratern auf dem Mond, die einen ähnlichen Trend
zeigen. Dort spielen die auf der Erde vorherrschenden Erosionsmechanismen keine
Rolle. Was immer sich als Grund für den in den Daten sichtbaren Trend
herausstellen mag - einfache periodische Variationen wie im Nemesis-Modell
lassen sich anhand von Bailer-Jones' Analyse ausschließen. "Die Kraterdaten, die
wir haben, geben keine Hinweise auf die Existenz von Nemesis. Was bleibt ist die
interessante Frage, ob die Einschlagwahrscheinlichkeit über die letzten 250
Millionen Jahre zugenommen hat oder nicht".
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