Deutlich jünger als bislang gedacht?
von
Rainer Kayser
22.
Juli 2011
Astronomen haben bei zwei elliptischen Galaxien Hinweise
darauf gefunden, dass sie einige Milliarden Jahre jünger sein könnten als
bislang angenommen. Die Wissenschaftler fanden bei Beobachtungen mit dem
Canada-France-Hawaii-Teleskop deutliche Anzeichen für Kollisionen und
Verschmelzungen in jüngerer Vergangenheit. Der Fund könnte die bisherige Theorie der
Galaxienentwicklung infrage stellen.
Auf diesem Bild der Galaxie NGC 5557 sind
deutlich ausgeprägte Gezeitenarme zu erkennen.
Bild:
P.-A. Duc / CEA / CFHT [Vergrößerte Gesamtansicht] |
Die beiden elliptischen Galaxien NGC 680 und NGC 5557 stellen die Theorie der
Galaxienentwicklung infrage. Sie zeigen deutliche Indizien für eine Kollision
und Verschmelzung mit jeweils einem weiteren Sternsystem in astronomisch
jüngerer Vergangenheit. Damit wären sie statt erwarteter sieben bis zehn
Milliarden Jahre nur ein bis drei Milliarden Jahre alt, berichtet ein
internationales Forscherteam im Fachblatt Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Mit weiteren Beobachtungen wollen die Astronomen nun prüfen, ob die beiden Galaxien Einzelfälle sind oder ob elliptische Galaxien generell jünger sind als von der Theorie vorhergesagt.
"Im hierarchischen kosmologischen Modell entstehen Galaxien schrittweise aus kleineren Sternenansammlungen", erklären Pierre-Alain Duc von der
Université Paris Diderot und seine Kollegen, "die Details dieses Szenarios sind jedoch noch umstritten." Elliptische Galaxien sind die massereichsten Sternsysteme und sie gelten daher als die Endprodukte der hierarchischen Evolution. Die Theorie sagt voraus, dass ihre Entstehung bereits vor sieben bis zehn Milliarden Jahren abgeschlossen war.
Duc und seine Kollegen sind nun bei Beobachtungen der Galaxien NGC 680 und NGC 5557 mit dem Canada-France-Hawaii-Teleskop auf Spuren von Kollisionen und Verschmelzungen gestoßen: Die Sternsysteme zeigen unter anderem in ihren Außenbereichen langgestreckte Filamente, so genannte Gezeitenströme. Solche Strukturen sind typische Überreste einer kleineren Galaxie, die mit einem großen Sternsystem zusammenstößt und von ihm aufgenommen wird. Allerdings überleben derartige Filamente nur ein bis drei Milliarden Jahre - entsprechend jung muss also die aus der Kollision hervorgegangene elliptische Galaxie sein.
Für die Astronomen stellt sich nun die Frage, ob NGC 680 und NGC 5557 außergewöhnliche Einzelfälle sind, ob sie zu einer besonderen, bislang unbekannten Unterklasse elliptischer Galaxien zählen oder ob sie gar typisch für elliptische Galaxien sind und damit die Theorie der Entstehung und Entwicklung der Sternsysteme infrage stellen. Die Beobachtungen von Duc und seinen Kollegen sind Teil des internationalen Projekts Atlas3D, bei dem insgesamt 260 elliptische Galaxien beobachtet und mit Computermodellen verglichen werden. Duc und sein Team wollen nun weitere Sternsysteme des Atlas3D-Projekts nach Gezeitenströmen absuchen.
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