Der Auslöser für Tychos Supernova
von Stefan Deiters astronews.com
27. April 2011
1572 beobachtete der dänische Astronom Tycho Brahe das
Erscheinen eines neuen Sterns am Himmel, der heller leuchtete als alle anderen
Sterne. Das Studium dieser Supernova stellte Teile des damaligen Weltbilds in
Frage. Der Überrest von Tychos Supernova wird auch heute noch untersucht, etwa
vom NASA-Röntgenteleskop Chandra.
Chandras Röntgenblick auf Tychos Supernova.
Der jetzt entdeckte Bogen aus energetischer
Röntgenstrahlung ist unten links der Mitte zu
sehen.
Bild: NASA / CXC / Chinese Academy of
Sciences / F. Lu et al. [Großansicht] |
Neue Beobachtungen des NASA-Röntgenteleskops Chandra
könnten endgültig geklärt haben, was der Auslöser für eine historische
Supernova-Explosion war. Sie zeigen zudem, dass ein enger Begleiter eines
Sterns, der als Supernova explodiert, dieses Ereignis fast unbeschadet
überstehen kann.
Die Supernova, die der dänische Astronom Tycho Brahe im Jahr 1572 beobachtet
hatte, veränderte das damalige Weltbild der Astronomen entscheidend. Die
"Sphäre" jenseits der Mondbahn galt bis dahin als unveränderlich. Dank seiner
detaillierten Beobachtungen konnte Brahe aber zeigen, dass der am Himmel
erschienene "neue Stern" deutlich weiter von der Erde entfernt sein musste als
der Mond.
Auch heute können Supernovae noch eine das Weltbild verändernde Wirkung haben: So
wird eine bestimmte Art von Supernova-Explosionen (die sogenannten Supernovae
vom Typ Ia) von den Astronomen auch als Entfernungsindikator verwendet. Mit
ihrer Hilfe konnte man nachweisen, dass sich unser Universum beschleunigt
ausdehnt - ein Umstand, den man auf eine geheimnisvolle Dunkle Energie
zurückführt.
Bei einer gründlichen Untersuchung von Tychos Supernova mit dem
NASA-Röntgenteleskop Chandra haben Astronomen nun eine bogenförmige
Region entdeckt, die hochenergetische Röntgenstrahlen aussendet. Dieser Bogen
entsteht
nach Ansicht der Wissenschaftler durch eine Stoßwelle, deren Ursache Material
ist, das durch die
Explosion eines Weißen Zwergsterns, also eines ausgebrannten Sternenrests, von der Oberfläche
eines nahen Begleitsterns weggerissen wurde. "Es gibt seit Längerem eine
Diskussion darüber, was genau Supernovae vom Typ Ia auslöst", erläutert Fangjun
Li vom Institute of High Energy Physics der chinesischen Akademie der
Wissenschaften in Peking. "Da sie als Entfernungsindikatoren im All dienen, ist
es äußerst wichtig, dies herauszufinden."
Ein populäres Modell für die Entstehung von Supernovae vom Typ Ia ist die
Verschmelzung von zwei Weißen Zwergsternen. In
einem solchen Szenario sollte es keine Hinweise auf einen Begleitstern oder auf
Material geben, das von einem Begleiter durch die Explosion weggerissen und ins
All geschleudert wurde. Ein konkurrierendes Modell macht die thermonukleare
Explosion eines Weißen Zwergsterns für die Supernova verantwortlich. Zu dieser
kommt es, wenn der Weiße Zwerg so viel Material von einem nahen Begleiter
abzieht, dass eine kritische Masse erreicht wird und es zur Explosion kommt. Es
gibt Hinweise, dass beide Szenarien tatsächlich ablaufen, im Falle von Tychos
Supernova allerdings, scheint alles für das zweite Modell zu sprechen.
Die Chandra-Beobachtungen zeigen zudem, wie robust manche Sterne offenbar
sind: Die Supernova-Explosion des Weißen Zwergs scheint nämlich nur sehr wenig
Material des Begleitsterns ins All geschleudert zu haben. Bei früheren
Beobachtungen hatte man in dem Supernova-Überrest einen Stern aufgespürt, der
sich deutlich schneller bewegt als andere Sterne in der Umgebung. Bei diesem
könnte es sich um den früheren Begleiter des Weißen Zwergs handeln.
"Es scheint so, als hätte sich der Begleitstern unmittelbar neben einer
extrem starken Explosion befunden und er hat das Ganze nahezu unbeschadet
überstanden", erklärt Q. Daniel Wang von der University of Massachusetts
in Amherst. "Er erhielt dabei vermutlich aber einen 'Kick'. Zusammen mit seiner
früheren Bahngeschwindigkeit sorgte dieser dafür, dass sich der Stern nun mit
hoher Geschwindigkeit durchs All bewegt."
Aus den gemessenen Eigenschaften des Röntgenstrahlen-aussendenden Bogens und
des vermuteten ehemaligen stellaren Begleiters rekonstruierten die Astronomen
das Aussehen des Systems vor der Explosion: Danach müssen sich die beiden Sterne
innerhalb von nur fünf Tagen umrundet und nur ein Zehntel des
Abstands der Erde von der Sonne voneinander gehabt haben. Der gesamte heute sichtbare Supernova-Überrest
hat einen Durchmesser von rund 20 Lichtjahren.
Ein weiteres Detail in den Beobachtungen unterstützt die Vermutung, dass der
entdeckte Bogen durch Material entstanden ist, das durch die Explosion von einem Begleitstern ins All
gerissen wurde. Die Astronomen entdeckten nämlich neben dem Bogen eine Art
Schatten in der Röntgenemission, wie man es auch bei weggeschleudertem Material
von einem Begleitstern erwarten würde. "Das vom Begleitstern weggerissene
Material war das letzte Teil des Puzzles, das uns noch in unserer Beweiskette
gefehlt hat, um sagen zu können, dass Tychos Supernova durch ein
Doppelsternsystem ausgelöst wurde, dessen eine Komponente ein normaler Stern
war", so Lu.
Die Form des gefundenen Bogens unterscheidet sich von allen anderen
Strukturen, die man in dem Supernova-Überrest entdeckt hat. Über die Ergebnisse
berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der am 1. Mai in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal erscheint.
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