Erste Galaxien entstanden deutlich früher
von Stefan Deiters astronews.com
12. April 2011
Mit dem Weltraumteleskop Hubble und mit Hilfe einer
Gravitationslinse spürten Astronomen eine entfernte Galaxie auf, deren Sterne in
einer äußerst frühen Phase der kosmischen Geschichte entstanden sein müssen. Die
Entdeckung wirft ein neues Licht auf die Entstehung der ersten Galaxien und die
frühe Entwicklung unseres Universums.
Blick auf den Galaxienhaufen Abell 383.
Bild: NASA, ESA, J. Richard (CRAL) and
J.-P. Kneib (LAM) / Marc Postman (STScI) [Großansicht]
Galaxienhaufen Abell 383 mit markierten
Bildern der durch den Haufen verstärkten Galaxie.
Bild: NASA, ESA, J. Richard (CRAL) and
J.-P. Kneib (LAM) / Marc Postman (STScI) [Großansicht] |
"Wir haben eine entfernte Galaxie entdeckt, in der schon 200
Millionen Jahre nach dem Urknall Sterne entstanden sind", erläutert Johan
Richard vom Centre de Recherche Astrophysique de Lyon, der Erstautor
eines Fachartikels über die Entdeckung, die in den Monthly Notices of the
Royal Astronomical Society erscheint. "Der Fund passt nicht ganz zu den
bisherigen Theorien über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien kurz nach
dem Urknall. Er könnte uns dabei helfen, das Rätsel zu lösen, wodurch sich der
Wasserstoffnebel im jungen Universum verzogen hat."
Richard und sein Team hatten die Galaxie mit Hilfe des Weltraumteleskops
Hubble aufgespürt, ihre Beobachtung anschließend mit dem Infrarotteleskop
Spitzer verifiziert und schließlich die Entfernung des Objekts am
W. M. Keck Observatory auf Hawaii bestimmt. Die Entdeckung gelang
allerdings nur mit Hilfe des Galaxienhaufens Abell 383, dessen Gravitationskraft
das Licht der dahinter liegenden Galaxie wie ein Vergrößerungsglas verstärkt und
so eine Untersuchung des fernen Systems erst möglich gemacht hat. Ohne diese
Gravitationslinse wäre die Galaxie selbst mit den leistungsfähigsten Teleskopen
nicht zu erkennen gewesen.
Aus den mit dem Keck-II-Teleskop gewonnenen Spektren bestimmten die
Astronomen die Rotverschiebung der Galaxie. Sie beträgt 6,027. Wir sehen die
Galaxie damit zu einer Zeit, in der das Universum rund 950 Millionen Jahre alt
war. Man hat inzwischen schon Galaxien mit einer deutlich höheren
Rotverschiebung entdeckt (astronews.com berichtete), allerdings weist das jetzt
aufgespürte System einige Besonderheiten auf.
"Als wir uns das Spektrum ansahen", erklärt Teammitglied Eiichi Egami von der
University of Arizona, "waren uns zwei Dinge klar: Wegen der
Rotverschiebung befindet sich die Galaxie wie erwartet im sehr jungen Universum.
Da aber auch Spitzer diese Galaxie im Infraroten entdeckt hat, musste
sie zudem überraschend alte und leuchtschwache Sterne enthalten. Daraus
folgerten wir, dass diese Galaxie aus Sternen besteht, die bereits ungefähr 750
Millionen Jahre alt sind und damit etwa 200 Millionen Jahre nach dem Urknall
entstanden sein müssen. Damit hat die Entstehung von Sternen deutlich früher
begonnen als bislang angenommen wurde."
Da das Licht der Galaxie durch die Gravitationslinse verstärkt wurde,
verfügen die Astronomen über ausgezeichnete Daten über das ferne System. Der
Fund könnte den Wissenschaftlern auch helfen, ein anderes kosmologisches Rätsel
zu lösen: In den Anfangsjahren des Universums war es erfüllt von einem diffusen
Nebel aus neutralem Wasserstoff, der ultraviolette Strahlung verschluckte.
Irgendeine Strahlungsquelle muss dann diesen Wasserstoff ionisiert haben, so
dass das Universum durchsichtig wurde. Man bezeichnet diese Phase als
Re-Ionisation.
Astronomen haben schon länger vermutet, dass die Energie für diese
Re-Ionisation von Galaxien stammen muss, nur hatte man bislang keine Indizien
dafür gefunden, dass es sie damals schon in ausreichender Zahl gegeben hat. Der
jetzige Fund könnte das ändern. "Es sieht ganz danach aus, dass es deutlich mehr
Galaxien im frühen Universum gab, als wir vorher geschätzt haben", so
Teammitglied Jean-Paul Kneib vom Laboratoire d’Astrophysique de Marseille.
"Wenn es diese Armee aus leuchtschwachen, älteren Galaxien da draußen
tatsächlich gibt, könnten sie die Strahlung geliefert haben, die das Universum
für ultraviolettes Licht durchsichtig gemacht hat."
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