Die mysteriösen Inseln der Inversion
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität München astronews.com
1. Februar 2011
Elemente, die schwerer sind als Eisen, bilden sich nur in gewaltigen
Sternexplosionen, sogenannten Supernovae. Durch Kernreaktionen entstehen hierbei
jede Menge hochangeregte kurzlebige Atomkerne, die schließlich zu stabilen
Elementen zerfallen. Bei einem Experiment haben sich Physiker des
Exzellenzclusters Universe nun einen Teilaspekt dieser Prozesse
angeschaut - mit unerwartetem Ergebnis.
Der Krebsnebel
ist der Überrest einer gewaltigen
Supernova-Explosion.
Bild: ESO [Großansicht] |
Alle chemischen Elemente, die wir auf der Erde kennen, stammen aus
dem Weltall. Die häufigsten Elemente im Universum, Wasserstoff und
Helium, bildeten sich bereits kurz nach dem Urknall. Andere Elemente wie
Kohlenstoff oder Sauerstoff entstehen erst später durch die Fusion von
Atomkernen im Inneren von Sternen. Elemente, die schwerer sind als Eisen
verdanken ihre Existenz gigantischen Sternexplosionen, auch Supernovae
genannt. Dazu zählen beispielsweise die Edelmetalle Gold und Silber oder
das radioaktive Uran.
In der Hexenküche einer Supernova entstehen eine Vielzahl massereicher
Atomkerne, die über verschiedene kurzlebige Zwischenstadien zu stabilen
Elementen zerfallen. Analog zum Schalenmodell der Elektronen haben die
Kernphysiker ein Modell entwickelt, das für bestimmte Neutronen- und
Protonenzahlen eine besondere Stabilität voraussagt. Dies sind die
"magischen Zahlen". Bei ihnen ist eine Schale voll besetzt, der Kern
nahe an der idealen Kugelform.
Doch es gibt auch "magische" Atomkerne, die von der erwarteten
Schalenstruktur abweichen. Ein internationales Forscherteam unter der
Führung von Physikern des Exzellenzclusters Universe an der TU
München hat sich Kerne in einem Bereich mit der magischen Neutronenzahl
20, der "Insel der Inversion" genannt wird, genauer angesehen. Messungen
am Instrument REX-ISOLDE, einem Beschleuniger für radioaktive
Ionenstrahlen am CERN, führten dabei zu überraschenden Resultaten.
In ihrem Experiment untersuchten die Wissenschaftler das neutronenreiche
Isotop Magnesium-32, indem sie einen Magnesium-30-Strahl auf eine
Titanfolie schossen, die mit Tritium, schwerem Wasserstoff, beladen war.
In einer so genannten Paartransferreaktion wurden zwei Neutronen vom
Tritium abgestreift und auf den Magnesium-Kern übertragen, der sich
damit in Magnesium-32 umwandelte. Eigentlich sollte das neutronenreiche
Isotop Magnesium-32, dessen Kern aus 20 Neutronen und 12 Protonen
besteht, magisch sein und damit eine sphärische Form aufweisen.
Doch der niedrigste Energiezustand im Magnesium-32 ist nicht kugelförmig
sondern deformiert. Der Kern hat eher die Form eines American Footballs.
Die sphärische Konfiguration sollte erst bei hohen Anregungsenergien
entstehen. Erstmals konnten nun die Forscher die Existenz eines
kugelförmigen Magnesium-32-Kerns nachweisen. Die Herstellung des
kugelförmigen Magnesium-32-Kerns gelang allerdings schon bei viel
niedrigerer Energie als theoretisch vorhergesagt. Damit stellt dieses
Ergebnis die theoretischen Modelle zur Beschreibung der Veränderung der
Schalenstruktur in dieser und anderen Regionen der Nuklidkarte teilweise
wieder infrage.
"Die Freude war groß, dass es uns endlich gelungen ist, auch die
sphärische Form des Magnesium-32-Kerns nachweisen zu können," sagt
Professor Krücken, Inhaber des Lehrstuhls für Physik der Hadronen und
Kerne an der TU München. "Doch diese Erkenntnisse stellen uns Physiker
auch gleich wieder vor neue Herausforderungen. Um den genauen Verlauf
der Elementsynthese in Sternexplosionen vorherzusagen, müssen wir den
Mechanismus genauer verstehen, der die veränderte Schalenstruktur
herbeiführt." Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass es noch vieler
weiterer Experimente bedarf, um die Abläufe rund um die mysteriösen
Inseln der Inversion und neue magische Zahlen widerspruchsfrei
beschreiben zu können.
Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Physical Review Letters.
|