Neue Versuchsanlage nimmt Betrieb auf
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bremen astronews.com
3. Januar 2011
Auf der Internationalen Raumstation ISS ist jetzt eine neue Versuchsanlage in
Betrieb genommen worden, mit der die Frage geklärt werden soll, wie es im All
möglich ist, Flüssigkeiten mit Hilfe von Kapillarkanälen blasenfrei zu
transportieren. Die Experimente werden mehrere Monate in Anspruch nehmen und vom
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation der Universität
Bremen gesteuert.
Auf der ISS begann jetzt ein neues Experiment
unter Bremer Leitung.
Foto: NASA |
Auf der Internationalen Raumstation ISS ist am 2. Januar 2011 eine neue
Versuchsanlage in Betrieb genommen worden, die der Untersuchung des
Kapillarverhaltens von Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit dient.
Konkret geht es um die Frage, wie es im All möglich ist, Flüssigkeiten
mit Hilfe von Kapillarkanälen blasenfrei zu transportieren. Im Laufe der
mehrmonatigen Experimentserie, die das Zentrum für angewandte
Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) von Bremen aus steuert,
wird insbesondere geklärt, welche Strömungsgeschwindigkeiten möglich
sind, ohne dass der Flüssigkeitsstrom abreißt.
Das CCF-Projekt (Capillary Channel Flow) ist ein gelungenes Beispiel für
eine internationale Forschungs-Kooperation: Wissenschaftler der Portland
State University (PSU) und des Zentrums für angewandte
Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen
führen mit Hilfe der Astronauten auf der ISS strömungstechnische
Experimente durch.
Der technisch aufwändige Versuchsapparat wurde von Astrium in
Friedrichshafen gebaut und mit dem 38. Shuttle-Flug (Flug STS-131 des
Space Shuttle Discovery) am 5. April 2010 zur Raumstation
befördert. Dieser wurde nun an Bord der ISS von den Astronauten in die
sogenannte Microgravity Science Glovebox (MSG) eingebaut.
Nachdem der Aufbau und die Inbetriebnahme noch vom NASA-Stützpunkt
Marshall Space Flight Center (MSFC) in Huntsville, Alabama, koordiniert
wurde, wird die Versuchseinheit im weiteren Verlauf des Experimentes
vollständig von der Bodenkontrollstation des ZARM in Bremen gesteuert.
Der praktische Nutzen der Forschungsarbeiten dient der Handhabung
unterschiedlicher Flüssigkeiten, beispielsweise von Treibstoffen, im
All. Im Treibstofftank eines Satelliten oder eines Raumfahrzeugs bleibt
der Treibstoff nicht am Boden - wie in einem Benzintank auf der Erde -,
sondern verteilt sich an den Tankinnenwänden und anderen Bauteilen.
Daher ist eine Vorrichtung notwendig, die den Treibstoff dorthin
befördert, wo er gebraucht wird.
Zur Flüssigkeitshandhabung im All macht man sich unter anderem die
sogenannten Adhäsions- und Kohäsionskräfte zunutze. Hinter dem Ausdruck
Adhäsionskraft steht die Neigung von Molekülen unterschiedlicher Stoffe,
sich aneinanderzuheften. Solche Kräfte führen zum Beispiel dazu, dass
Flüssigkeit die Innenwand eines Tanks benetzt. Mit Kohäsionskräften
werden die Anziehungskräfte bezeichnet, die zwischen den
Flüssigkeitsmolekülen wirken.
Ziel der gegenwärtigen Untersuchungen ist es, die Flüssigkeit mit Hilfe
von Kapillarkanälen blasenfrei zu fördern. Dabei strömt die Flüssigkeit
zwischen zwei parallel angeordneten Platten zum Auslass aus dem Tank.
Der Kanal ist oben und unten begrenzt und seitlich offen. Dass der
angesaugte Treibstoff trotzdem zwischen den Platten bleibt, liegt an den
erwähnten Kräften und der daraus resultierenden Oberflächenspannung. Bei
dem Experiment soll insbesondere geklärt werden, welche
Strömungsgeschwindigkeiten möglich sind, ohne dass Blasen mit angesaugt
werden oder der Flüssigkeitsstrom abreißt.
Die Flüssigkeit zu sammeln und blasenfrei zum Auslass zu befördern,
bedarf daher besonderer technischer Lösungen, an denen Wissenschaftler
schon seit Jahren arbeiten. Der Versuchsaufbau ist zuvor im Bremer
Fallturm und bei ballistischen Raketenflügen in bis zu 270 Kilometer
Höhe getestet worden. Für die Experimente auf der Raumstation steht nun
wesentlich mehr Zeit zur Verfügung als bisher und ermöglicht damit die
Variation diverser Strömungsparameter, wie zum Beispiel der Kanallänge,
des Volumenstroms, der Änderung des Volumenstromes sowie eine
Oszillation der Strömung.
Im Rahmen der Mission werden extrem große Datenmengen, u. a. Bilder von
Hochgeschwindigkeitskameras, aufgenommen, verarbeitet und nach Bremen
übertragen. Deren Auswertung wird die vorhandenen mathematischen Modelle
von Kapillarströmungen validieren und so deren Zuverlässigkeit zur
Optimierung technischer fluidmechanischer Bauteile erhöhen.
|
ISS - die astronews.com
Berichterstattung über die Internationale Raumstation |
|