Der Ozean als Thermostat
von
Rainer Kayser
6.
Dezember 2010
Die Auswirkungen der variierenden solaren Aktivität auf das
irdische Klima sind bis heute umstritten. Nun haben Wissenschaftler auf einen
neuen Effekt hingewiesen: Offenbar wirkt das El Niño-Phänomen Änderungen
der Sonneneinstrahlung entgegen und hält so die globale Temperatur konstant.
Dieser Rückkopplungseffekt sei bislang in Klimamodellen zu wenig berücksichtigt
worden.

UV-Bild der
Sonde SOHO aus dem Jahr 1999. Der Einfluss der
Sonne auf das irdische Klima ist bislang
ungeklärt.
Bild: ESA/NASA/SOHO |
Die tropischen Ozeane regulieren wie ein Thermostat die globale Temperatur der Erde. Das zeigt die Analyse von Sedimentablagerungen aus dem Meer vor Mexiko, die amerikanische Forscher im Fachblatt
Science
präsentieren. Die Ablagerungen zeigen, dass die Wassertemperatur sich in den vergangenen 12.000 Jahren jeweils entgegengesetzt zu Änderungen der Sonnenstrahlung entwickelt hat. Die Wissenschaftler sehen das so genannte El Niño-Phänomen als Triebkraft hinter dieser Klimarückkopplung.
Der Einfluss der solaren Variabilität auf das irdische Klima auf der Zeitskala von Jahrzehnten bis Jahrtausenden ist in der Klimaforschung immer noch heftig umstritten. Im Verlauf des elfjährigen Aktivitätszyklus der Sonne variiert ihre Gesamtstrahlung zwar um weniger als 0,1 Prozent. Doch die Strahlungsänderung ist ungleichmäßig über das Spektrum verteilt. Stärkere Änderungen im ultravioletten Bereich können die Ozon-Konzentration in der Stratosphäre und damit auch die Zirkulation in der Hochatmosphäre beeinflussen.
Theoretische Modelle zeigen auch, dass das komplex gekoppelte Zirkulationssystem von Atmosphäre und Ozean im Pazifik, von den Klimatologen El Niño - Southern Oscillation (ENSO) genannt, durch Änderungen der Sonneneinstrahlung beeinflusst werden kann. Bislang gab es aber keine paläoklimatischen Untersuchungen, die einen solchen Zusammenhang belegen. Thomas Marchitto von der
University of Colorado in Boulder und seine Kollegen präsentieren nun erstmals eine durchgehende Analyse der Variation des ENSO-Phänomens im Verlauf der vergangenen
12.000 Jahre anhand eines Bohrkerns vom 540 Meter unter dem Meeresspiegels gelegenen Boden des Soledad Bassins vor der Küste von Mexiko. In dieser Region bestimmt heute - und damit, wie Marchitto und seine Kollegen voraussetzen, auch in der Vergangenheit - ENSO über die Wassertemperatur.
Die Analyse von Marchitto und seinem Team zeigt, dass der Ozean paradox auf Änderungen der Sonnenstrahlung reagiert: Eine Steigerung der Intensität der Sonnenstrahlung führt zu einem Absinken der Ozeantemperatur, eine Verringerung der Intensität der Sonnenstrahlung dagegen zu einer Temperaturerhöhung im Ozean. Die Schlussfolgerung der
Wissenschaftler: Offenbar löst eine stärkere Sonnenstrahlung kühle El Niña-Ereignisse aus, eine Abschwächung der Sonnenstrahlung dagegen führt zu wärmenden El Niño-Ereignissen. Da ENSO das Klima auf der gesamten Erde beeinflusst, spielt der tropische Ozean also die Rolle eines dynamischen Thermostaten für die Erde. Solche negativen Rückkopplungen des irdischen Klimasystems auf Änderungen der Sonnenstrahlung werden bislang in Klimamodellen unterschätzt, betonen die Forscher.
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