Riesenspiegel auf dem Prüfstand
Redaktion
/ Pressemitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) astronews.com
16. September 2010
2021 soll mit dem International X-Ray Observatory das größte
Röntgenteleskop aller Zeiten starten. Die Astronomen erhoffen sich von
dem Instrument ganz neue Erkenntnisse über supermassereiche Schwarze
Löcher und die Entwicklung des Universums. Bei der PTB in Berlin
bereitet man sich darauf vor, die Oberfläche des Teleskopspiegels auf
seine Qualität zu prüfen.
So könnte das geplante Röntgenteleskop IXO einmal
aussehen.
Bild: NASA |
Es soll das größte Röntgenteleskop aller Zeiten werden: Das
International X-Ray Observatory (IXO), gemeinsam geplant von NASA,
ESA und der japanischen Weltraumagentur JAXA, soll im Jahr 2021 ins All
starten und der Welt ganz neue Erkenntnisse über Schwarze Löcher,
großräumige Strukturen und die Entwicklung des Universums liefern. Seine
Dimensionen sind gewaltig: Allein die Oberfläche des Spiegels, der die
kosmische Röntgenstrahlung einfängt, wird 1.300 Quadratmeter groß sein. Er wird
aus kommerziellen Siliciumwafern mit millimetergroßen Poren an der
Unterseite bestehen. Die Qualität dieser "verborgenen" Oberflächen soll
in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) mit einem
monochromatischen Röntgen-Nadelstrahl überprüft werden.
Die neue Messeinrichtung steht im Synchrotronstrahlungslabor der PTB bei
BESSY II in Berlin-Adlershof. Die Vorarbeiten soll eROSITA
erledigen. Das deutsch-russische Experiment unter Federführung des
Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik wird im Jahr 2013 ins
All starten (astronews.com berichtete). Mithilfe eines Bündels von
sieben Röntgenteleskopen wird eROSITA den gesamten Himmel nach
einer bestimmten Art Schwarzer Löcher absuchen: nach supermassereichen
Schwarzen Löchern, die in der Frühzeit des Universums entstanden sind.
Wissenschaftler erwarten, dass unter anderem mit dieser Mission etwa
drei Millionen neue Schwarze Löcher gefunden werden.
Damit wird erstmals ein vollständiger Überblick über die Bildung und
Entwicklung supermassereicher Schwarzer Löcher möglich. Deren gründliche
Erforschung wird dann IXO übernehmen. Außerdem soll das neue
Weltraumteleskop auch neue Erkenntnisse über Neutronensterne und
stellare Schwarze Löcher liefern. Dieser zweite Typ Schwarzer Löcher
entsteht, wenn besonders massereiche Sterne als Supernova explodieren.
Weil ein solches Unternehmen extrem teuer ist, haben sich 2008 die
Weltraumagenturen der USA, Europas und Japans entschlossen, statt dreier
Einzellösungen fortan dieses gemeinsame Projekt zu realisieren (astronews.com
berichtete). IXO kann die Röntgenstrahlung aus der Umgebung der sehr
weit entfernten Schwarzen Löcher auffangen, weil diese Art von
Strahlung das häufigste Hindernis auf dem Weg, kosmischen Staub,
ungehindert durchdringt. Der Spiegel in dem Teleskop muss dafür aber
sehr groß sein – und dennoch leicht genug.
IXO bekommt einen einzigen Spiegel mit einer Sammelfläche von rund drei
Quadratmetern, einer Fokallänge von 20 Metern und einer Winkelauflösung
von unter 5 Bogensekunden. Wegen des für Röntgenstrahlung erforderlichen
streifenden Strahlungseinfalls muss die gesamte Oberfläche des Spiegels
etwa 1.300 Quadratmeter groß sein. Um diese große Fläche stabil
und trotzdem leicht zu konstruieren, sollen kommerziell erhältliche,
hoch-polierte Siliciumwafer auf der Unterseite mit Rippen versehen
werden, um sie zu steifen Blöcken stapeln zu können. Dadurch entstehen
Poren mit einem Querschnitt von etwa einem Quadratmillimeter, in denen
die Strahlung an der Oberfläche des jeweils unteren Wafers reflektiert
wird.
Die Qualität dieser "verborgenen" Oberflächen im Bezug auf
Tangentenfehler und Rauhigkeit kann nicht wie üblich von oben untersucht
werden, sondern muss in der vorgesehenen Anwendungsgeometrie mit
Röntgenreflexion bei streifenden Strahlungseinfallswinkeln von etwa
einem Grad bestimmt werden. Um die reflektierende Oberfläche einzelner
Poren zu untersuchen, wird ein Röntgen-Nadelstrahl benötigt.
An der kürzlich im Rahmen einer Forschungskooperation mit der ESA
erweiterten X-ray pencil beam facility (XPBF) im
Synchrotronstrahlungslabor der PTB bei BESSY II steht dafür jetzt ein
monochromatischer Nadelstrahl mit einem typischen Durchmesser von 50
Mikrometern und einer Divergenz von unter einer Bogensekunde zur
Verfügung. Er soll die Röntgenoptiken für IXO bei drei verschiedenen
Photonenenergien, nämlich 1 keV, 2,8 keV und 7,6 keV, charakterisieren.
Die Optiken können mit einem Hexapod im Vakuum mit Reproduzierbarkeiten
von zwei Mikrometern bzw. unter einer Bogensekunde verschoben bzw.
gedreht werden.
Der direkte und der reflektierte Strahl werden mit einem ortsauflösenden
CCD-basierten Detektor in einer Entfernung von fünf Metern oder 20
Metern von der Optik registriert. Für den letztgenannten Abstand, der
der geplanten Fokallänge von IXO entspricht, wurde eine vertikale
Bewegung des CCD-Detektors um mehr als zwei Meter implementiert. Erste
Testmessungen in diesem Abstand wurden schon im Mai 2010 durchgeführt,
die vollständige Inbetriebnahme der verlängerten XPBF ist für Anfang
November 2010 geplant.
|