Rätselhafte Struktur zwischen Marsvulkanen
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
30. August 2010
Ein neues, jetzt vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt veröffentlichtes Bild der europäischen Marssonde Mars Express
zeigt mit Orcus Patera eine rätselhafte Struktur, die zwischen den gewaltigen
Marsvulkanen Olympus Mons und Elysium Mons liegt. Ihre Entstehung ist bislang
nicht geklärt, es gibt aber mehrere Theorien.
Zwischen den gewaltigen Marsvulkanen Olympus Mons und Elysium Mons befindet
sich die merkwürdige geologische Struktur Orcus Patera. Dabei handelt es sich um
eine sich etwa in Nord-Süd-Richtung erstreckende, ellipsenförmige Vertiefung mit
einer Ausdehnung von 380 Kilometern Länge und 140 Kilometern Breite. Der Rand
dieser sogenannten Depression erhebt sich bis zu 1800 Meter über das nördliche
Tiefland des Mars; der Boden von Orcus Patera liegt zwischen 400 und 600 Meter
unterhalb der Umgebung.
Die jetzt veröffentlichten Aufnahmen der vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) betriebenen hochauflösenden Stereokamera HRSC auf der
europäischen Sonde Mars Express zeigen Details von Orcus Patera in
einer Auflösung von etwa 30 Metern pro Bildpunkt (Pixel). Die Abbildungen aus
den Mars Express-Orbits 2216 und 2238 zeigen hiervon einen Ausschnitt
bei 14 Grad nördlicher Breite und 177 Grad östlicher Länge.
Den Begriff "Patera" verwenden die Wissenschaftler für komplexe oder
irregulär geformte Krater mit einem geringen topographischen Relief. Gut zu
erkennen ist, dass das Innere von Orcus Patera nahezu topfeben ist, sieht man
von einigen jüngeren Einschlagkratern ab. Die meisten dieser Paterae sind durch
Vulkanismus entstanden, wie zum Beispiel Hadriaca Patera und Tyrrhena Patera am
nordöstlichen Rande des großen Einschlagsbeckens Hellas auf der Südhalbkugel des
Mars.
Die Entstehung von Orcus Patera ist jedoch noch unklar. Neben Vulkanismus
gibt es zwei weitere Annahmen, wie diese Depression entstanden sein könnte. Zum
einen ist Orcus Patera als ein großer, deformierter Impaktkrater betrachtet
worden. Aber auch die Erosion von Kraterrändern zweier oder mehrerer eng
aneinander grenzender oder sich überschneidender Impaktkrater wird diskutiert.
Zum anderen wird diese Depression auch auf Druckspannungen in der Marskruste
zurückgeführt und als große tektonische Kompressionsstruktur interpretiert.
Dass tektonische Kräfte bei der heutigen Ausprägung von Orcus Patera eine
bedeutende Rolle gespielt haben, kann man sehr gut an zahlreichen fast
geradlinig verlaufenden Gräben erkennen, die durch den östlichen und westlichen
Rand schneiden (etwas oberhalb der Bildmitte; Norden ist rechts im Bild). Diese
großen, bis zu zweieinhalb Kilometer breiten und mehrere hundert Meter tiefen
Gräben verlaufen nahezu in Ost-West-Richtung, was bedeutet, dass die Kruste in
Nord-Süd-Richtung gedehnt wurde.
Diese Gräben sind jedoch heute nur noch auf den Rändern und der näheren
Umgebung zu erkennen. Im Zentrum der Depression sind Spuren dieser relativ
großen Gräben durch spätere Ablagerungen überdeckt worden. Auf dem Boden der
Depression können jedoch auch kleinere Gräben in der gleichen geographischen
Orientierung beobachtet werden (etwas links der Mitte). Das lässt darauf
schließen, dass es zum einen im Laufe der Zeit in der Region mehrere tektonische
Ereignisse gab, und zum anderen mehrere Episoden stattfanden, bei denen der
Boden der Depression durch Ablagerungen bedeckt wurde.
Die Existenz von sogenannten Runzelrücken innerhalb der Depression zeigt,
dass neben der Dehnung der Marskruste, wie sie an den Gräben abgelesen werden
kann, auch eine Stauchung, eine Kompression der Kruste in dieser Region ein
wichtiger tektonischer Prozess war (unten rechts im Bild). Die bizarren, dunklen
Gebiete nahe dem Zentrum der Depression entstanden wahrscheinlich durch äolische
Prozesse: Durch Windverfrachtung wurde dunkleres Material hier abgelagert,
beispielsweise vulkanische Asche oder Staub. Kleinere Einschlagsereignisse haben
das von hellen Ablagerungen bedeckte dunkle Material in der Depression
ausgeworfen, so dass es nun durch Windaktivität weiter transportiert werden
kann.
Die Aufnahmen, die den hier gezeigten Bildern zugrunde liegen, wurden von der
HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 5. beziehungsweise 11. Oktober
2005 aus einer Höhe von 600 Kilometern aufgenommen. Mars Express
befindet sich seit dem 25. Dezember 2003 in einer Umlaufbahn um unseren
Nachbarplaneten. Mit der HRSC wurde seither gut zwei Drittel der Marsoberfläche
in hoher Auflösung, in Farbe und in 3D zur topographischen Kartierung
aufgenommen.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der
Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof.
Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische
Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das
Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn
Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
unter der Leitung des PI G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit
industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung
in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt
am DLR. Die jetzt veröffentlichten Bilder wurden vom Institut für Geologische
Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für
Planetenforschung erstellt.
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