Kometeneinschlag vor rund 200 Jahren?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
19. Juli 2010
Mithilfe des europäischen Infrarot-Weltraumteleskops Herschel haben
Astronomen jetzt Indizien dafür gefunden, dass vor einigen hundert Jahren ein
Komet auf Neptun eingeschlagen ist. Sie schließen dies aus der ungewöhnlichen
Verteilung von Kohlenmonoxid auf dem äußersten Planeten unseres Sonnensystems.
Der
Neptun in einer Aufnahme von Voyager 2.
Bild: NASA / JPL |
Ein Komet könnte vor etwa zweihundert Jahren den Planeten Neptun
getroffen haben. Dafür spricht die Verteilung von Kohlenmonoxid in der
Atmosphäre des Gasriesen, die eine Forschergruppe - darunter
Wissenschaftler des französischen Observatoriums LESIA in Paris, vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) im niedersächsischen
Katlenburg-Lindau und vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische
Physik in Garching - jetzt untersucht hat. Die Forscher werteten
Messungen des Forschungssatelliten Herschel aus, der seit Mai
2009 in ungefähr 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde um die
Sonne kreist. Sie berichten über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift
Astronomy & Astrophysics.
Als der Komet Shoemaker-Levy 9 vor 16 Jahren in die Atmosphäre des Jupiter
einschlug, waren Wissenschaftler auf der ganzen Welt vorbereitet: Instrumente an
Bord der Raumsonden Voyager 2, Galileo und Ulysses
dokumentierten jedes Detail des seltenen Ereignisses. Diese Daten helfen
Forschern heute, auch Kometeneinschläge, die deutlich länger zurückliegen,
aufzuspüren. Denn die "staubigen Schneebälle" hinterlassen Spuren in der
Atmosphäre der Gasriesen - unter anderem in Form von Wasser, Kohlendioxid,
Kohlenmonoxid, Blausäure und Kohlenstoffsulfid.
Diese Moleküle lassen sich in der Infrarot- und Submillimeter-Strahlung, die
der Planet ins All abstrahlt, entdecken. Nachdem Forscher vom MPS bereits
Hinweise auf einen Kometeneinschlag vor etwa 230 Jahren auf dem Saturn gefunden
hatten, deuten jüngste Messungen des Instrumentes PACS (Photodetector Array
Camera and Spectrometer) an Bord des Weltraumobservatoriums Herschel
jetzt darauf hin, dass ein ähnliches Schicksal auch den Neptun ereilte. PACS
erlaubt es den Forschern erstmals, die langwellige Infrarotstrahlung des
Planeten Neptun auszuwerten.
In der Atmosphäre des äußersten Planeten unseres Sonnensystems, die
größtenteils aus Wasserstoff und Helium besteht, stießen die Forscher vor allem
auf eine ungewöhnliche Verteilung von Kohlenmonoxid: In der oberen
Atmosphärenschicht, der so genannten Stratosphäre, fanden sie eine höhere
Konzentration als in der darunter gelegenen Troposphäre. "Die Anreicherung von
Kohlenmonoxid in der Stratosphäre von Neptun ist nur mit einer externen Quelle
zu erklären", erläutert MPS-Forscher Paul Hartogh, Leiter des Herschel-Forschungsprogramms
"Wasser und verwandte Chemie im Sonnensystem". "Normalerweise sollten die
Konzentrationen von Kohlenmonoxid in Troposphäre und Stratosphäre gleich sein
oder nach oben hin abnehmen."
Einzige Erklärung für die Messergebnisse ist ein Kometeneinschlag. Bei einem
solchen Zusammenstoß bricht der Komet auseinander. Das Kohlenmonoxid, das im
Kometeneis gebunden ist, verteilt sich im Laufe der Jahre von der
Einschlagstelle über die gesamte Stratosphäre. "Aus der Verteilung von
Kohlenmonoxid können wir deshalb auf den ungefähren Zeitpunkt des Einschlags
schließen", so Thibault Cavalié vom MPS. Die frühere Vermutung, dass ein Komet
vor etwa zweihundert Jahren den Neptun traf, ließ sich so erhärten. Eine andere
Theorie, der zur Folge ein ständiger Strom winziger Staubteilchen aus dem All
die Atmosphäre des Gasriesen mit Kohlenmonoxid versorgt, passt hingegen nicht zu
den Messergebnissen.
In der Stratosphäre des Neptuns stießen die Forscher bei ihren jüngsten
Untersuchungen zudem auf eine höhere Methan-Konzentration als erwartet. Mit
Methan verhält es sich auf Neptun ähnlich wie mit Wasserdampf auf der Erde: Wie
viel Wasserdampf in die Stratosphäre aufsteigen kann, bestimmt die Temperatur
der so genannten Tropopause. Dies bezeichnet eine Barriere aus kälterer Luft,
welche Troposphäre und Stratosphäre trennt. Je wärmer diese Luftschicht ist,
desto eher kann das Gas in die Stratosphäre vordringen.
Doch während die Temperaturen in der Erdtropopause nie unter minus 80 Grad
Celsius fallen, ist die Tropopause des Neptun mit im Mittel minus 219 Grad
Celsius deutlich kälter. Für die erhöhte Methankonzentration in der Stratosphäre
des Gasriesen scheint deshalb eine Lücke in der Kältebarriere der Tropopause
verantwortlich zu sein. Am Südpol ist diese Luftschicht stellenweise mit minus
213 Grad Celsius um sechs Grad wärmer als überall sonst, so dass dort ein
Gasaustausch zwischen Troposphäre und Stratosphäre leichter möglich ist. Das
Methan, dessen Ursprung die Forscher auf dem Planeten selbst vermuten, verteilt
sich so nach und nach in der gesamten Stratosphäre.
|