Experimentelles Raumfahrzeug vorgestellt
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
16. Juli 2010
Mit SHEFEX II geht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bei der
Entwicklung eines künftigen Raumfahrzeuges neue Wege: Scharfe Ecken und Kanten
sollen den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre billiger, sicherer und flexibler
machen. Nach dreijähriger Entwicklungszeit ist am Freitag die kantige
Nutzlastspitze im DLR Stuttgart der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Mit scharfen Kanten: Nach dreijähriger
Entwicklungszeit ist am Freitag die kantige
Nutzlastspitze von SHEFEX II im DLR Stuttgart der
Öffentlichkeit vorgestellt worden. Das zwei Meter
lange Raumfahrzeug wird demnächst zum DLR
Oberpfaffenhofen transportiert. Dort wird es
umfangreichen Tests unterzogen und auf die Spitze
einer zweistufigen Höhenrakete montiert. Diese
soll Anfang 2011 vom australischen Testgelände
Woomera starten.
Foto: DLR |
Das zwei Meter lange Raumfahrzeug wird demnächst zum DLR
Oberpfaffenhofen transportiert. Dort wird es umfangreichen Tests
unterzogen und auf die Spitze einer zweistufigen Höhenrakete montiert.
Diese soll Anfang 2011 vom australischen Testgelände Woomera starten.
Der zweite Flug im Rahmen des SHEFEX-Programms des DLR dient der
weiteren Erprobung des scharfkantigen Designs mit neuartigem Hitzeschutz
und innovativer Steuerung. SHEFEX steht für Sharp Edge Flight
Experiment, zu deutsch etwa "scharfkantiger Flugversuch". Bisherige
Raumfahrzeuge besitzen eine abgerundete Außenhaut.
Zahlreiche Sensoren sollen im Flug die aerodynamischen Effekte und das
Verhalten des Raumflugkörpers beim Wiedereintitt in die Atmosphäre
messen. Wie ein fliegender Windkanal soll SHEFEX II so Erkenntnisse für
die weitere Entwicklung liefern. Kern der "Spitzen"-Technologie sind 160
Sensoren, die von der DLR-Abteilung Hyperschalltechnologie in Köln
eingebaut wurden. Sie sollen während des Fluges Druck, Wärmefluss und
Temperatur in der Nutzlastspitze messen. Die Erkenntnisse über die
Vorgänge an der Außenhaut des Flugkörpers bei erwarteten Temperaturen
von mehr als 2.000 Grad Celsius zählen zu den wertvollsten Ergebnissen
eines solchen Flugversuchs.
Neben der Instrumentierung des DLR wurde auch ein Spektrometer des
Instituts für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart in SHEFEX II
aufgenommen. Mit SHEFEX II werden neun verschiedene Hitzeschutzsysteme
getestet. Dies sind größtenteils Entwicklungen aus sogenannter
Faserkeramik des DLR in Stuttgart und Köln, aber auch Experimente der
deutschen Raumfahrtindustrie (EADS Astrium und MT-Aerospace) und
internationaler Partner (Boeing) fanden in der facettierten Außenhaut
Platz.
"Deutschland nimmt damit eine Vorreiterrolle ein, was fortschrittliche
Rückkehrsysteme betrifft", erklärt Projektleiter Hendrik Weihs vom
DLR-Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung in Stuttgart das
nationale SHEFEX-Programm. Er hofft, dass das Programm irgendwann in ein
europäisches - möglicherweise bemanntes - Raumfahrtsystem mündet. Ziel
der Entwicklung ist ein neuartiger, "REX-Free Flyer" genannter kleiner
Raumgleiter, der ab 2020 für rückführbare Experimente unter
Schwerelosigkeit zur Verfügung stehen soll.
Dessen scharfkantige Form verspricht zwei wesentliche Vorteile. Zum
einen könnte der Hitzeschild dadurch einfacher und sicherer werden.
Außerdem resultiert die facettierte Form in verbesserten aerodynamischen
Eigenschaften. "Die konsequente Anwendung der SHEFEX-Technologie
ermöglicht einen relativ einfach aufgebauten und damit kostengünstigen
Raumgleiter, der wie ein Space Shuttle punktgenau landen kann",
sagt DLR-Projektleiter Weihs und ergänzt "REX könnte auf einem normalen
Flughafen oder kleinerem Flugfeld in Deutschland landen."
Die Idee des SHEFEX-Programmes ist es, möglichst kostengünstig
Wiedereintrittstechnologie im Flugexperiment zu testen. Dazu wird die
Testkapsel auf die Spitze einer preiswerten Höhenforschungsrakete
gesetzt. Der Vorgänger, SHEFEX I, war 2005 von Nord-Norwegen aus
gestartet. Beim 12,6 Meter hohen SHEFEX II ist die Rakete ein größeres
brasilianisches Modell, um eine höhere Geschwindigkeit bis 12.000
Kilometer pro Stunde zu erreichen. Zudem verfügt SHEFEX II im Gegensatz
zu seinem Vorgänger über kleine Stummelflügel, sogenannte Canards, mit
denen das Gefährt gesteuert werden kann. Der Start vom australischen
Woomera soll SHEFEX II in eine Höhe von 200 Kilometern bringen. Für die
Forscher beginnt der interessanteste Teil beim Abstieg und
Wiedereintritt in die Erdatmosphäre in 100 bis 20 Kilometer Höhe.
Anschließend soll die Kapsel per Fallschirm in der Wüste landen.
Die aerodynamische Auslegung, die rechnerische Vorhersage des
Strömungsverhaltens und die Tests in verschiedenen Windkanälen erfolgen
am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig,
Köln und Göttingen. Der DLR-Standort Köln ist für die Instrumentierung
der Nutzlast verantwortlich. Das SHEFEX-II Experiment selbst hat das
Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung des DLR in Stuttgart
entwickelt, hergestellt und integriert. Die komplette Flugsteuerung wird
vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik in Braunschweig entwickelt. Die
Bereitstellung der Rakete sowie die Durchführung des Starts erfolgt
durch die Mobile Raketenbasis (Moraba) des DLR Oberpfaffenhofen. Das
neue DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen ist mit einem
Navigationsexperiment beteiligt.
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