Der veränderliche Himmel im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
17. Juni 2010
Das Projekt Pan-STARRS hat mit einzigartigen Beobachtungen großer
Teile des Nachthimmels begonnen, bei denen erstmals systematisch und im
großen Stil nach veränderlichen Phänomenen gesucht wird. Die
Beobachtungsdaten erlauben die Suche nach Asteroiden, die die Erde bedrohen
könnten, geben aber vielleicht auch Aufschlüsse über einige der größten
kosmischen Rätsel wie Dunkle Materie und Dunkle Energie. Auch deutsche
Wissenschaftler sind an den Beobachtungen beteiligt.
Das Pan-STARRS1 Observatorium kurz vor
Sonnenaufgang auf dem Haleakala, Maui.
Bild: MPIA / Rob Ratkowski |
Die ewig gleichen Konstellationen des Sternenhimmels sind geradezu
ein Sinnbild des Unveränderlichen. Doch bei genauerem Hinsehen ist am
Nachthimmel einiges los - von Objekten wie veränderlichen Sternen bis zu
seltenen Ereignissen, die jeweils nur für einen kurzen Zeitraum sichtbar
sind. Jetzt hat eine Durchmusterung begonnen, die sich gezielt solchen
veränderlichen Phänomenen widmet. Pan-STARRS1 soll von rund 75
Prozent des Nachthimmels 30 zeitversetzte Aufnahmen anfertigen; von
besonders interessanten Gebieten werden Zeitserien mit mehreren hundert
Bildern erstellt. So entsteht ein einmaliger "Himmelsfilm".
Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Astronomie und
extraterrestrische Physik sind mit einer Reihe von Projekten an den
Beobachtungen beteiligt, unter anderem an der Suche nach Planeten um
ferne Sterne, nach Braunen Zwergen ("gescheiterten Sternen") und weit
entfernten aktiven Galaxien.
"Jeden Monat beobachtet Pan-STARRS1 ein Sechstel des Himmels in
fünf verschiedenen Wellenlängenbereichen", erklärt Dr. Roberto Saglia
vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. "Damit können wir
zum einen sehr gut Helligkeitsvariationen am Himmel aufspüren, zum
anderen aber auch besonders tiefe Aufnahmen von großen Himmelsregionen
machen." Bestimmte Himmelsregionen werden dabei sogar jede Nacht
beobachtet.
Bei den Beobachtungen soll unter anderem eine einzigartig detaillierte
dreidimensionale Karte unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße,
entstehen. In unserer Nachbargalaxie Andromeda soll Pan-STARRS1
ein komplettes Inventar veränderlicher Objekte erstellen.
Pan-STARRS1 ist dabei zum einen eine klassische Durchmusterung, bei
der nach bekannten Klassen von Himmelsobjekten gesucht wird – von extrem
schwach und rötlich leuchtenden Braunen Zwergen (Objekten, die nicht
genügend Masse besitzen, um sich zu richtigen Sternen zu entwickeln) in
unserer Milchstraße bis zu den frühesten aktiven Galaxien in mehr als 13
Milliarden Lichtjahre Entfernung ("Quasare bei Rotverschiebung z=7").
Ein anderer Teil der Suche ist von grundlegendem praktischen Interesse:
Pan-STARRS1 soll Asteroiden aufspüren, die groß genug sind, um
bei einem Zusammenstoß mit der Erde eine globale Katastrophe auszulösen.
Da Pan-STARRS1 seinen Blick wiederholt auf die gleichen
Himmelsregionen richtet, kann es Veränderungen nachweisen. So lassen
sich beispielsweise "Exoplaneten-Transits" ausfindig machen - Planeten,
die einen fernen Stern so umkreisen, dass sie sich dabei von der Erde
aus gesehen regelmäßig zwischen ihren Mutterstern und den Beobachter
schieben; dabei wird ein winziger Bruchteil des Sternenlichts abgefangen
und die scheinbare Helligkeit des Sterns nimmt ein winziges bisschen ab.
Die gleiche Beobachtungsstrategie erhöht die Chancen, auch sehr seltene
und kurzlebige Himmelsphänomene dokumentieren zu können. So könnte sich
erstmals nachweisen lassen, wie ein Schwarzes Loch im Zentrum einer
fernen Galaxie einen Stern verschluckt – ein Ereignis, das zu einem nur
wenige Tage dauernden Helligkeitsanstieg führt. Auch auf Überraschungen
machen sich die Astronomen gefasst: "Wann immer Astronomen den Himmel
auf andere Weise beobachten als zuvor, machen sie unerwartete neue
Entdeckungen", sagt Prof. Dr. Hans-Walter Rix vom Max-Planck-Institut
für Astronomie. "Pan-STARRS1 sucht erstmals systematisch und
weiträumig danach, wie sich der Nachthimmel mit der Zeit verändert - und
mit dieser neuen Art der Beobachtung sind überraschende neue
Erkenntnisse geradezu vorprogrammiert."
Das Pan-STARRS1-Observatorium wurde am Institut für Astronomie
der Universität von Hawaii (IfA) entwickelt und gebaut und befindet sich
auf dem schlafenden Vulkan Haleakala. Das Teleskop, das jetzt den
wissenschaftlichen Beobachtungsbetrieb aufgenommen hat, Pan-STARRS1
(PS1), ist ein Prototyp für spätere umfangreichere Durchmusterungen mit
insgesamt vier Teleskopen des gleichen Typs. "PS1 nimmt bereits seit
sechs Monaten Daten mit wissenschaftlicher Qualität auf", sagt Dr. Nick
Kaiser, der für das Pan-STARRS-Projekt verantwortliche
Wissenschaftler am IfA. "Ab jetzt können wir den regulären Betrieb
starten, bei dem das Observatorium von der Dämmerung bis zum
Morgengrauen Daten sammelt."
Damit ist das Teleskop nun vom Testbetrieb zum wissenschaftlichen
Beobachtungsbetrieb übergegangen. Mit einem Teleskopspiegel von nur 1,8
Meter Durchmesser ist PS1 für die Verhältnisse der modernen
professionellen Astronomie ein eher kleines Teleskop. Allerdings hat PS1
ein außergewöhnlich großes Sichtfeld vorzuweisen: Etwa 30-Mal so groß
wie der Vollmond (sieben Quadratgrad) ist der Himmelsabschnitt, den PS1
mit einer Aufnahme erfassen kann. Die am Teleskop angebrachte
1,4-Gigapixel-Kamera ist die größte Digitalkamera der Welt und macht PS1
zum derzeit leistungsstärksten Teleskop für Himmelsdurchmusterungen.
Nachdem die Aufnahme der Daten mit dem PS1-Observatorium nun begonnen
hat, wird das Observatorium im Laufe der nächsten Jahre mehrere
Petabytes an Daten produzieren, und könnte jede Nacht etwa 1000 DVDs
füllen. Um diese Datenflut verarbeiten zu können, wurde am Rechenzentrum
Garching der Pan-STARRS-Cluster eingerichtet, der mit 150 TB
Plattenplatz für die Datenreduktion und erste Analyseschritte, weiterem
Speicherplatz auf Magnetbändern und 700 CPUs bereits seine Arbeit an den
ersten Durchmusterungsdaten aufgenommen hat.
Außerdem wurde eine spezielle Software entwickelt, die anhand der
Farbinformationen eine erste Klassifizierung der auf den Bildern
identifizierten Objekte vornimmt und bestimmte Kerndaten wie Temperatur
und Extinktion von Sternen oder die Entfernung (Rotverschiebung) von
weit entfernten Objekten automatisch bestimmt.
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