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SCHWARZE LÖCHER
Anti-Kick sorgt für Abbremsung nach Kollision
Redaktion / Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft
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4. Juni 2010

Schwarze Löcher sind faszinierende, aber auch sehr komplizierte Forschungsobjekte. Bei der Kollision von zwei Schwarzen Löchern beispielsweise scheint nach den Modellen der Astronomen Erstaunliches zu passieren: Das entstehende neue Schwarze Loch erhält zunächst einen Rückstoß, wird dann aber manchmal wieder abgebremst. Jetzt fanden Forscher eine einfache Erklärung für dieses Phänomen.

Kollision

Forscher haben am Computer die Kollision von Schwarzen Löchern nachgestellt. Dabei zeigte sich, dass das neu entstandene Schwarze Loch zunächst deformiert ist (Mitte). Um diese Asymmetrie auszugleichen und die energetisch günstigere Kugelform zu erreichen, wird mehr Impuls nach oben abgegeben: Dieser "Anti-Kick" bremst das Schwarze Loch etwas ab - es bewegt sich jetzt mit verringerter Geschwindigkeit weiter (rechts). Bild: MPI für Gravitationsphysik [Großansicht]

Gekickt wird nicht nur im Fußball: Wenn etwa Schwarze Löcher einander so nahe kommen, dass sie zusammenstoßen und verschmelzen, dann erfährt das resultierende Schwarze Loch einen Rückstoß und schießt mit einer Geschwindigkeit von bis zu einigen tausend Kilometern pro Sekunde weiter durchs All. Manchmal aber verringert sich das Tempo plötzlich - ein Verhalten, für das es bisher keine Erklärung gab. Nun haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik das Rätsel gelöst: Es handelt sich um eine Art Rückstoß in die entgegengesetzte Richtung, der die Gesamtgeschwindigkeit herabsetzt. In diesem "Anti-Kick" strahlt das Schwarze Loch Gravitationswellen ab und erreicht so seine energetisch optimale Form: die Kugel. Die Wissenschaftler berichten über ihre Resultate in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Von außen betrachtet, ist ein Schwarzes Loch kein fassbares Objekt, sondern eine Raumregion, die mit großer Kraft Materie aus der Umgebung anzieht. Die Grenze zwischen dieser Region und dem restlichen Weltall heißt Horizont. Im einfachsten Fall ist er wie eine Kugeloberfläche geformt, die im Raum schwebt. Was von außen durch diese Oberfläche tritt, kann sie nicht mehr verlassen. Nicht einmal Licht vermag einer solchen Schwerkraftfalle zu entkommen - daher der Name. Schwarze Löcher gelten als wichtige Bausteine von Modellen, mit denen Astrophysiker die Entwicklung der Sterne oder die Aktivitäten im Innern von Galaxienkernen erklären.

Luciano Rezzolla, Leiter der Gruppe Numerische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein Institut, AEI), sowie seine Kollegen Rodrigo Macedo und José Luis Jaramillo haben in ihrer Arbeit zunächst ein einfaches System untersucht. Darin bewegen sich ein kleineres und ein großes Schwarzes Loch linear aufeinander zu und stoßen frontal zusammen. Das kleinere Schwarze Loch bewegt sich schneller, hat einen Impuls nach unten und strahlt starke Gravitationswellen ab. Da jede Aktion auch eine Gegenreaktion erzeugt, bewegt sich das Gesamtsystem aber nach oben - das ist der "Kick".

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Das entstehende Schwarze Loch ist zunächst aber nicht vollkommen rund, sondern deformiert und hat im oberen Teil eine Art Beule. Um diese Asymmetrie auszugleichen und die energetisch günstigere Kugelform zu erreichen, wird mehr Impuls nach oben abgegeben und zunächst werden auch mehr Gravitationswellen nach oben abgestrahlt: Dieser "Anti-Kick" bremst das resultierende Schwarze Loch etwas ab. Es bewegt sich also weiterhin nach oben, allerdings mit verringerter Geschwindigkeit.

"Dieses einfache Modell bringt uns im Verständnis der Kollision von Schwarzen Löchern einen großen Schritt weiter. In unserer Veröffentlichung bieten wir eine intuitive Erklärung für einen Prozess, dessen mathematische Behandlung extrem kompliziert ist", so Rezzolla. "In der Physik ist es wichtig, komplexe Phänomene zu verstehen und anschauliche Erklärungen zu liefern. Darin liegt die Bedeutung der Forschungsergebnisse von Rezzolla und seinem Team", ergänzt Bernard F. Schutz, Direktor der Abteilung Astrophysikalische Relativitätstheorie.

Gibt es beim Zusammenstoß Schwarzer Löcher einen starken Rückstoß, so hat das einen direkten Einfluss auf die Astrophysik: Denn je nachdem, wie mächtig der "Kick" ist, kann das Schwarze Loch auch aus der Galaxie herausfliegen. Auf diese Weise bestimmt die Stärke des Rückstoßes die Anzahl von Galaxien, die Schwarze Löcher enthalten. Die Erklärung des "Anti-Kicks" wiederum erlaubt es, die Physik in der Nähe eines solchen exotischen Objekts zu erforschen, indem man die Geometrie seines Horizonts untersucht. Außerdem könnte dieser Ansatz grundlegende Aspekte der physikalischen Natur von Schwarzen Löchern selbst erhellen.

Forum
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siehe auch
Galaxien: Astronomen entdecken Doppel-Quasar - 9. Februar 2010
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Adaptive Optik: Schwarze Löcher in kollidierenden Galaxien - 22. Mai 2007
Chandra: Zwei Schwarze Löcher vor Verschmelzung - 10. April 2006
Schwarze Löcher: Kollidierende Galaxien wecken Schwarze Löcher - 10. Februar 2005
Chandra: Schwarze Löcher im Doppelpack - 20. November 2002
Schwarze Löcher: "Lazarus"-Team simuliert Kollision - 20. September 2001
Computersimulationen: Wenn Schwarze Löcher kollidieren - 3. September 1999
Links im WWW
Max-Planck-Gesellschaft
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
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