Stellare Schwergewichte mit Wackelkontakt
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
10. März 2010
Die Entstehung von massereichen Sternen stellt die Astronomen immer noch vor
so manches Rätsel. So ähnelt das Leuchten der jungen stellaren
Schwergewichte beispielsweise mehr einer Lampe mit Wackelkontakt.
Computersimulationen, die erstmals auch die Auswirkung der ultravioletten
Strahlung eines jungen Himmelskörpers berücksichtigen, lieferten nun
wichtige neue Erkenntnisse über die Vorgänge bei der Sternentstehung.
Computerberechnete Wasserstoffwolke um einen
massereichen Stern, wie sie sich nach den neuen
Untersuchungen von Thomas Peters und seinen
Kollegen vom Zentrum für Astronomie der
Universität Heidelberg (ZAH) darstellt.
Bild: Zentrum für Astronomie der
Universität Heidelberg [Großansicht] |
Sterne werden geboren, wenn gewaltige Gasmassen kollabieren. Mit der
Zeit fängt der neue Himmelskörper an zu leuchten und zerstört die ihn
umgebende Gaswolke. Überraschenderweise gilt dies nicht unbedingt für
Sonnen mit großer Masse: Ihr Leuchten ähnelt eher einer Lampe mit
Wackelkontakt, wie Astrophysiker der Universität Heidelberg
herausgefunden haben. Mit ihren Simulationsrechnungen haben die
Wissenschaftler wesentlich zum Verständnis der Strukturen von
Gasgebieten um massereiche Sterne beigetragen und konnten damit ein 20
Jahre altes Rätsel der astronomischen Forschung lösen. Die Ergebnisse
dieser Arbeiten wurden jetzt in der Fachzeitschrift Astrophysical
Journal vorgestellt.
Innerhalb von interstellaren Gaswolken - den Geburtsorten neuer Sterne - bilden
sich Klumpen, die unter dem Einfluss ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren. Im
Zentrum steigen Dichte und Temperatur immer weiter an, bis schließlich die
Verbrennung von Wasserstoff zu Helium einsetzen kann. Ein neuer Stern ist
entstanden. Die Heidelberger Astrophysiker beschäftigten sich mit den Vorgängen
rund um die Sternentstehung, insbesondere von Sternen mit der zehn- bis
hundertfachen Masse der Sonne, die nach dem Urknall im Kosmos als Erste
aufgeflammt sind und ihn "erleuchtet" haben.
Bei einem massereichen Stern setzt die Wasserstoffverbrennung bereits ein,
während dieser noch weiteres Gas aus seiner unmittelbaren Umgebung aufsammelt.
Die Strahlung des Sterns sollte dieses einfallende Gas eigentlich aufheizen und
es "wegblasen", was das weitere Sternwachstum erheblich erschweren oder sogar
vollkommen aufhalten würde. Diese Wechselwirkung des einströmenden Gases mit der
Strahlung des Sterns wurde nun mit Hilfe von Computersimulationen am Institut
für Theoretische Astrophysik des Zentrums für Astronomie der Universität
Heidelberg (ZAH) näher untersucht.
In ihren Modellen haben die Wissenschaftler um Thomas Peters erstmals die
Auswirkung der ultravioletten Strahlung eines jungen Himmelskörpers
berücksichtigt. Diese führt zur Entstehung von Gebieten ionisierten
Wasserstoffgases um den massereichen Stern, sogenannter HII-Regionen, die mit
Hilfe von Teleskopen direkt beobachtet werden können und den Astronomen seit
zwei Jahrzehnten Rätsel aufgeben. Die vermessenen HII-Regionen sind zum Beispiel
viel kleiner als erwartet. Welcher Mechanismus sie an ihrem Wachstum hindert,
konnte bislang nicht schlüssig geklärt werden.
Die computerbasierten Simulationen von Peters liefern jetzt eine Erklärung. Sie
zeigen, dass das interstellare Gas nicht gleichmäßig auf den Stern einfällt,
sondern fadenförmige Verdichtungen bildet, die Filamente genannt werden. Sie
können das hinter ihnen liegende Gas vor der ultravioletten Strahlung des Sterns
sehr effizient abschirmen. Der Schattenwurf sorgt dafür, dass sich die
HII-Region nicht symmetrisch um den Stern ausbreiten kann, sondern an den
abgeschirmten Stellen schrumpft und dabei quasi wie eine Lampe mit einem
Wackelkontakt flackert.
Die aktuellen Untersuchungen erklären zudem das unterschiedliche Aussehen von
HII-Regionen. Die verschiedenen Formen der ionisierten Gasgebiete entstehen
zufällig durch das Strömungsfeld des Gases und hängen erheblich von der
Blickrichtung ab. So kann ein und dieselbe HII-Region aus einer Richtung wie ein
Ring und von einer anderen Seite wie ein Komet aussehen.
Die Ergebnisse von Thomas Peters sind auch deshalb von besonderer Bedeutung,
weil bislang anhand der gemessenen Ausdehnung einer HII-Region auf das Alter des
Sterns geschlossen wurde. Wie die Simulationen zeigen, gibt es hier jedoch
keinen direkten Zusammenhang, so lange noch weiteres Gas einströmt und
aufgesammelt wird. Das geschieht bei massereichen Sternen fast während ihres
gesamten Lebens.
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