Überraschendes Innenleben eines Jets
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Innsbruck astronews.com
18. Februar 2010
Kosmische Jets, also gewaltige, gerichtete Materieauswürfe aus der
unmittelbaren Umgebung von Schwarzen Löchern, verhalten sich offenbar anders
als bislang vermutet. Ein internationales Forscherteam konnte
jetzt zeigen, dass der dominante Teil der Jetstrahlung, nämlich Gammastrahlen,
viel weiter entfernt vom Schwarzen Loch entsteht als erwartet.
Vor kurzem durchgeführte Beobachtungen von
Blasar-Jets erlauben es Forschern, derzeitige
Theorien zur Bildung und Bewegung solcher Jets zu
präzisieren. Diese Simulation zeigt ein Schwarzes
Loch, das umgebende Materie anzieht (gelb) und
Energie in Form von Jetmaterie auswirft (blau und
rot). Diese wird durch Magnetfeldlinien (grün)
zusammengehalten.
Bild: Universität Innsbruck /
Jonathan McKinney, Stanford University
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"Es wird vermutet, dass solche Jets durch ein supermassereiches
Schwarzes Loch mit der Masse von hundert Millionen bis einige Milliarden
Sonnenmassen im Kernbereich einer aktiven Galaxie angetrieben werden",
veranschaulicht Dr. Anita Reimer vom Institut für Theoretische Physik
der Universität Innsbruck, die Mitglied des Forscherteams war. "Die Jets
machen sich durch gerichtete Strahlung aus Gebieten von etwa der Größe
unseres Sonnensystems bemerkbar. Die Strahlung reicht von langen
Radiowellen bis zu hochfrequenter Gammastrahlung, und die
Emissionsgebiete bewegen sich im Jet fast so schnell wie das Licht."
Es wird vermutet, dass diese Jets durch starke Magnetfelder zusammengehalten
werden; die Jetstrahlung wird durch hochenergetische Teilchen produziert, die
sich entlang der Magnetfeldlinien winden. "Details waren bisher relativ
unbekannt", so Reimer. "Die neuen Messergebnisse haben uns überrascht. Sie
erlauben ein tieferes Verständnis der Anatomie dieser interessanten Quellen."
Helle Galaxienkerne, sogenannte Blasare, dominieren den extragalaktischen
Gammastrahlenhimmel und stellen möglicherweise die größten Teilchenbeschleuniger
des Universums dar. Über ein Jahr lang stand ein bestimmter Blasar, 3C279, im
Sternbild Jungfrau im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Wissenschaftler. Sie
untersuchten ihn über fast das gesamte elektromagnetische Spektrum.
Im Februar des Vorjahres beobachteten die Forscher dann ein dramatisches
Aufleuchten des Jets mit spektakulären Änderungen im optischen Licht und im
Gammalicht. "Optisches Licht ist normalerweise unpolarisiert, es besteht also
aus einer Mischung verschiedenster Polarisationsrichtungen. Energetische
Teilchen in gerichteten Magnetfeldern können jedoch polarisierte Strahlung
erzeugen", erläutert Reimer.
Während des 20-tägigen Gammastrahlenausbruchs änderte sich die Polarisation
des optischen Lichts deutlich und kontinuierlich. Dieses zeitliche
Zusammentreffen und die ersten monatelang weitgehend kontinuierlich
durchgeführten Messungen dieser Quelle, untermauern die Vermutung, dass das
optische Licht und die Gammastrahlung einen gemeinsamen Ursprung haben. Zusammen
mit der Dauer des Ausbruchs deutet dies auf einen relativ großen Abstand des
Ursprungsgebiets vom Schwarzen Loch hin. "Wir hatten erwartet, dass die
Gammastrahlen etwa ein bis zwei Lichttage vom Schwarzen Loch entfernt produziert
werden. Nun weisen die Daten aber eher auf ein Lichtjahr Entfernung hin. Dies
ist durchaus unerwartet und überraschend", so Reimer.
Die gleichmäßige Änderung der Polarisation des optischen Lichts verrät auch
Überraschendes über die Struktur des Jets: Die Jetmaterie folgt vom Schwarzen
Loch aus einer gekrümmten Bahn. Dieses neue Verständnis der Physik von Blasar-Jets
erfordert überarbeitete Modelle für die Struktur von Jets. "Hier kommen nun die
Theoretiker ins Spiel", meint Prof. Olaf Reimer vom Institut für Astro- und
Teilchenphysik der Universität Innsbruck, der auch zum Wissenschaftler-Team
gehört.
"Diese Studie setzt vollkommen neue Anforderungen an magnetische Jet-Modelle:
Wie muss ein Jet aussehen, der große Mengen an Energie weit entfernt vom
Schwarzen Loch deponiert? Und wo kommt die Jet-Krümmung ins Spiel?", umreißt die
Theoretikerin Anita Reimer die aktuellen Fragen und weist darauf hin, dass die
Berücksichtigung starker und komplexer Magnetfeldtopologien in Simulationen
relativistischer Jets extrem schwierig ist.
Diese und zukünftig geplante Messungen über weite Frequenzbereiche,
insbesondere des energetisch dominanten Gammastrahlenbereichs, werden es
Forschern erlauben, Jet-Modelle zu testen und ein detailliertes Verständnis
dieser Objekte zu erlangen. Die Innsbrucker Wissenschaftler greifen hierfür
nicht nur auf das 2008 gestartete Gammastrahlenteleskop Fermi zurück,
sondern nutzen auch die in Namibia befindlichen H.E.S.S.-Teleskope zum
Nachweis energiereicher Gammastrahlung.
Die Wissenschaftler berichten über ihre Resultate in der heute erscheinenden
Ausgabe der Zeitschrift Nature.
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