Wie die Erde Asteroiden beeinflusst
von Stefan Deiters astronews.com
26. Januar 2010
Seit vielen Jahrzehnten beschäftigen sich Astronomen mit dem
zuweilen katastrophalen Einfluss den Asteroiden auf die Erde haben können. Jetzt
haben sie sich für die umgekehrte Sichtweise interessiert und dabei eine
interessante Entdeckung gemacht: Die Erde scheint vorüberfliegende Asteroiden
deutlich stärker zu beeinflussen als bislang angenommen wurde.

Vorüberfliegende Asteroiden könnten weitaus
stärker von der Erde beeinflusst werden, als
angenommen.
Bild: NSSDC / NASA / Montage: astronews.com |
Dass Asteroiden einen gewaltigen und oftmals katastrophalen
Einfluss auf die Erde haben können, ist inzwischen unbestritten. Richard Binzel,
Professor für Planetenwissenschaften am Massachusetts Institute of
Technology, und sein Team haben sich jedoch für das umgekehrte Szenario
interessiert: Welchen Einfluss hat die Erde eigentlich auf vorüberfliegende
Asteroiden? Das Ergebnis, über das die Wissenschaftler online in der Zeitschrift
Nature berichten, könnte einige bislang ungeklärte Fragen über die
Herkunft von Meteoriten klären helfen.
Die Wissenschaftler haben Beobachtungen von Asteroiden analysiert, die der
Erde auf ihrer Bahn auf weniger als 30 Millionen Kilometer nahe kommen. Dabei
bemerkten sie, dass es auf diesen erdnahen Asteroiden, sobald sie der Erde näher
kommen als etwa ein Viertel der Mondentfernung, zu seismischen Erschütterungen
kommen kann, durch die frisches Material, sogenanntes Regolith, an die
Oberfläche gelangt.
Solche nur selten beobachteten "frischen Asteroiden" haben Astronomen schon
seit langer Zeit fasziniert, weil ihr spektraler Fingerabdruck dem von 80
Prozent der auf der Erde entdeckten Meteoriten gleicht. Lange Zeit hatte man
gerätselt, warum man solche "frischen Asteroiden" bislang nicht im
Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter entdeckt hat. Binzel und seine
Kollegen liefern nun eine einfache Antwort darauf: Die frische Oberfläche ist
eine direkte Folge der Gezeitenkräfte der Erde.
Die Entdeckung der Forscher wäre auch deswegen interessant, weil sie zeigen
würde, dass nicht nur Kollisionen das Aussehen der Oberfläche von Asteroiden in
dieser Weise beeinflussen können. Dies hätte einen erheblichen Einfluss auf die
Asteroidenforschung. Für ihre Studie untersuchten Binzel und sein Team
zahlreiche erdnahe Asteroiden und verfolgte dann für insgesamt 95 Brocken deren
Bahnen über die letzten 500.000 Jahre. 75 davon waren der Erde in dieser Zeit
näher gekommen als die Entfernung von der Erde zum Mond - darunter alle 20
"frischen Asteroiden" der Gruppe.
Eine weitere Auswertung der Daten ergab, dass es auf Asteroiden, die der Erde
näher kommen als ein Viertel dieser Entfernung, zu so starken seismischen
Erschütterungen kommt, dass frisches Material an die Oberfläche gelangt. Bislang
glaubte man, dass diese nur bei einem weitaus geringerem Abstand zur Erde
passieren würde.
Als nächstes wollen Binzel und sein Team untersuchen, was genau dafür
verantwortlich ist, dass die Asteroiden so von der Erde "durchgeschüttelt"
werden und warum dies noch in verhältnismäßig großer Entfernung geschieht.
Vermutlich sind dafür eine Reihe von Faktoren, wie die Geschwindigkeit der
Asteroiden, die Dauer des Vorüberflugs aber auch die Form und Zusammensetzung
der Asteroiden verantwortlich. "Die exakte Entfernungsgrenze hängt von vielen
Faktoren ab. Das ist alles ganz neu und ein sehr spannender Bereich für aktuelle
Forschung."
Binzel plant auch, nach Asteroiden zu suchen, die seiner These widersprechen
könnten oder aber nach weiteren Beispielen dafür, die sein Modell unterstützen.
Auch eine Untersuchung von Asteroiden, die nahe an Mars oder Venus
vorübergeflogen sind, könnte in diesem Zusammenhang interessant sein.
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