Kleine Galaxie mit Überraschungen
von Stefan Deiters astronews.com
14. Oktober 2009
Die europäische Südsternwarte ESO hat jetzt ein neues Bild
eines unserer nächsten galaktischen Nachbarn veröffentlicht - von Barnards
Galaxie (NGC 6822). In dieser irregulären Zwerggalaxie finden sich zahlreiche
Sternentstehungsgebiete und einige kuriose Nebel. Die Galaxie in rund 1,6
Millionen Lichtjahre Entfernung gehört zur Lokalen Gruppe, unserem
Heimat-Galaxienhaufen.

Die irreguläre Zwerggalaxie NGC 6822 (Barnards
Galaxie).
Bild: ESO [Großansicht] |
Barnards Galaxie (NGC 6822) liegt in rund 1,6 Millionen
Lichtjahren Entfernung im Sternbild Schütze. Die Galaxie ist ein
Mitglied der Lokalen Gruppe, also des Galaxienhaufens, der hauptsächlich
von der Milchstraße und der Andromeda-Galaxie dominiert wird. Ihren
Spitznamen erhielt Barnards Galaxie von ihrem Entdecker, dem
amerikanischen Astronomen Edward Emerson Barnard, der die Galaxie 1884
erstmals mit seinem 125-Millimeter-Refraktor beobachtete.
Das jetzt von der europäischen Südsternwarte ESO veröffentlichte Bild
entstand mit Hilfe des Wide Field Imagers am 2,2-Meter
MPG/ESO-Teleskop im chilenischen La Silla. Barnards Galaxie ähnelt so
gar nicht der majestätischen Andromeda-Galaxie oder dem Dreiecksnebel:
Sie hat keinerlei Spiralarme und auch keinen zentralen, hellen
sogenannten Bulge.
Trotzdem gibt es in NGC 6822 einiges zu sehen: Rötliche Nebel im Bild
verraten Regionen, in denen gerade neue Sterne entstehen. Junge, heiße
Sterne haben hier benachbarte Gaswolken aufgeheizt. Oben links im Bild
befindet sich ein kurioser blasenförmiger Nebel. Im Zentrum liegt eine
Gruppe von massereichen Sternen, die Material ins All blasen, das dann
auf die umgebende interstellare Materie trifft. Dies sorgt aus unserer
Perspektive für eine ringförmige, leuchtende Struktur. Vergleichbares
kann man auch an anderen Stellen der Galaxie finden.
Barnards Galaxie wird von den Astronomen als irreguläre Zwerggalaxie
klassifiziert. Sie hat nur ein Zehntel der Größe unserer Milchstraße und
enthält kaum mehr als 10 Millionen Sterne. Die Milchstraße dürfte bis zu
400 Milliarden Sterne enthalten. In der Lokalen Gruppe befinden sich
zahlreiche weitere ähnliche Zwerggalaxien. Ihr Aussehen dürften Barnards
Galaxie und ihre Verwandten durch enge Begegnungen mit anderen Galaxien
oder eine direkte Kannibalisierung durch größere Systeme erhalten haben.
Da die Galaxien in einem Galaxienhaufen ständig in Bewegung sind,
kommt es häufig zu engen Begegnungen oder Kollisionen. Galaxien bestehen
aber größtenteils aus "Nichts" - die Abstände zwischen ihren Sternen
sind so groß, dass sie sich ohne wirkliche Zusammenstöße durchdringen
können. Die Anziehungskraft sorgt aber dafür, dass die Begegnungen nicht
spurlos an den Galaxien vorübergehen: Gas und Sterne können aus den
Galaxien herausgerissen werden. Das Ergebnis sind dann eigentümlich
geformte Zwerggalaxien wie NGC 6822.
|