Blick auf die Gegner Einsteins
von Stefan Deiters astronews.com
3. Juni 2009
Vor fast genau 90 Jahren, während der totalen
Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919, konnte eine zentrale Aussage von Albert
Einsteins Relativitätstheorie durch Beobachtungen bestätigt werden. Der Physiker
wurde bald zu einem Superstar der Wissenschaft. Doch nicht alle stimmten in den
Jubel ein: Eine bunte Truppe von Einstein-Gegner rief zum Widerstand auf. Ein
Forschungsprojekt widmete sich nun dieser Gruppe.

Albert Einstein
im Jahr 1921: Superstar der Wissenschaft, doch
von einigen energisch bekämpft.
Foto: F. Schmutzer |
Der 29. Mai 1919 war ein entscheidendes Datum für Einsteins
Relativitätstheorie: Während einer Sonnenfinsternis sollten nämlich Effekte zu
beobachten sein, die Einsteins Theorie vorhersagte. Sterne, die von der Erde aus
nahe bei der Sonne stehen und während der Finsternis sichtbar werden, sollten
leicht verschoben erscheinen, weil das Licht der Sterne auf dem Weg zur Erde
durch die Masse der Sonne ablenkt wird. Prominente Wissenschaftler wie etwa Sir
Arthur Eddington beteiligten sich an entsprechenden Beobachtungen und konnten
tatsächlich nachweisen, dass die Sterne nicht genau dort waren, wo sie
eigentlich sein sollten, sondern an der von Einstein vorhergesagten Stelle.
Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der Beobachtungen vom Mai 1919 im
Herbst vor 90 Jahren galt Einsteins Theorie als bestätigt, der Physiker wurde
schnell zu einem weltweit gefeierten Wissenschaftsstar. Doch die Resonanz war
nicht nur positiv: In der Zeit der Weimarer Republik erschienen zahlreiche
Schriften, in denen die Verfasser behaupteten, die Relativitätstheorie widerlegt
zu haben. Unter den Autoren befanden sich nicht nur Physiker und Philosophen,
sondern eine illustre Schar von Ingenieuren, Kaufleuten, Ärzten und
Schriftstellern.
Doch warum wurde von einigen Personen die Relativitätstheorie Einsteins als
so fundamentale Bedrohung wahrgenommen? Dieser Frage ist die
Wissenschaftshistorikerin Milena Wazeck nachgegangen. Die Mitarbeiterin am
Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte ist dabei sogar auf ein
internationales Netzwerk gegen die Relativitätstheorie gestoßen, dessen Existenz
sie anhand von neuen Materialien nachweisen konnte. Die Ergebnisse ihrer Studie
sind jetzt in dem Buch "Einsteins Gegner" nachzulesen, das im Campus-Verlag
erschienen ist.
Die meisten Einstein-Gegner, die in ihren Schriften Einstein zu widerlegen
glaubten, seien, so Wazeck, zuvor in der akademischen Wissenschaft nicht in
Erscheinung getreten. Da die meisten "Widerlegungen" auf einem grundlegenden
Missverständnis der Relativitätstheorie an sich beruhen, wäre diese Gruppe von
Einstein-Gegnern von der klassischen Wissenschaftsgeschichte bislang kaum
berücksichtigt worden. Diese hätte sich hauptsächlich auf die Kritik von
Physikern konzentriert, die von der klassischen Physik nicht lassen wollten oder
der von Philosophen. Zudem hätte es außer einer "wissenschaftlichen"
Auseinandersetzung mit der neuen Theorie auch politisch motivierte Angriffe auf
den Juden und Demokraten Einstein gegeben.
Wazeck hat mit ihrer Studie den Blick auf die Gruppe von Einstein-Gegnern
gelenkt, die es außerhalb der Universitäten gab und deren Wurzeln sie schon im
19. Jahrhundert ausmacht. Durch die Popularisierung der Naturwissenschaft hätten
sich nämlich viele Bürger mit der Erforschung der Welt beschäftigt und teils
eigene Modelle und Universaltheorien entwickelt, die "mit ihren einfachen, oft
mechanischen Welterklärungen Anhängerschaften aus dem populärwissenschaftlichen
Milieu um sich sammeln" konnten, schreibt Wazeck.
Als Beispiel nennt die Wissenschaftlerin den bei Siemens-Schuckert
beschäftigten Ingenieur und Dampfmaschinen-Konstrukteur Arthur Paschke. Er
führte sämtliche Phänomene auf die Stoßkontakte winziger Ätherteilchen zurück.
"Er entwickelte auf dieser mechanischen Basis eine wissenschaftliche
Weltanschauung, in welcher der Äther als letzter Grund allen Weltgeschehens
religiöse Bedeutung erhielt." Die Gegner von Einstein, so Wazeck, seien in
weltanschaulichen Kontexten wie dem Monismus, der Lebensreformbewegung oder dem
Okkultismus verwurzelt.
"Vor diesem Hintergrund wird deutlich", schreibt Wazeck in einem
Feature-Beitrag für die Webseite ihres Instituts, "warum die populäre Kritik der
Relativitätstheorie oft von Personen geführt wurde, die zwar kaum Kenntnisse
über die physikalische Relativitätstheorie besaßen, aber dennoch vehement gegen
sie vorgingen." Forscher wie Paschke würden die Relativitätstheorie daher aus
einer Verteidigungshaltung heraus prüfen. Die Auseinandersetzung wurde dabei von
Seiten der Gegner mit harten Bandagen geführt. In vielen Veröffentlichungen
machte Wazeck eine "martialische Vernichtungsrhetorik" aus.
Die Wissenschaftshistorikern weist zudem auch auf ein Phänomen hin, das man
auch heute noch bei manchen "Kritikern" der etablierten wissenschaftlichen
Forschung ausmachen kann: Paschke etwa versuchte Fachartikel einzureichen oder
Vorträge zu halten und suchte Kontakt zu den von ihm kritisierten
Wissenschaftlern. Diese ignorierten ihn entweder oder machten ihm deutlich, wo
die Fehler in seiner Kritik lagen. Da es sich für Paschke aber um eine
weltanschauliche Frage handelte, war er gegen einen solche Kritik immun. Als
Reaktion auf die Antwort der akademischen Forschung auf ihre Kritik entwickelten
die Gegner Verschwörungstheorien, was, so Wazeck, eine Auflösung der Kontroverse
unmöglich machte.
Für ihre Arbeit konnte Wazeck auch auf neues Quellenmaterial zurückgreifen
und hat beispielsweise erstmals die Nachlässe der Einstein-Gegner Ernst Gehrcke
und Arvid Reuterdahl ausgewertet, die die führenden Figuren eines
internationalen Netzwerkes von Einstein-Gegnern in den frühen 1920er Jahren
waren. Die Studie war Teil des Schwerpunktes "Rezeption der modernen Physik" der
Abteilung 1 des Max-Planck- Instituts für Wissenschaftsgeschichte.
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