Versteckte Supernova in Messier 82
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
26. Mai 2009
Ein internationales Team von Radioastronomen konnte die verborgene Explosion
eines massereichen Sterns als Supernova in der nahen Galaxie M82 nachweisen.
Obwohl es sich um die nächstgelegene Supernova der letzten fünf Jahre
handelt, konnte die Explosion nur mit Radioteleskopen beobachtet werden, da
dichtes Gas und Staub in der Umgebung des explodierenden Sterns sie in
anderen Wellenlängen unsichtbar machten. Sonst wäre die Supernova sogar mit
Amateurteleskopen zu sehen gewesen.
Die Galaxie M82 gehört zum Typ der irregulären Galaxien und befindet sich in
einer nahegelegenen Galaxiengruppe in einer Entfernung von 12 Millionen
Lichtjahren in Richtung des Sternbilds Großer Bär. Sie ist ein gutes Stück
kleiner und masseärmer als die Milchstraße, zeigt aber einen äußerst heftigen
Sternentstehungsausbruch oder Starburst von nur einigen Hundert
Lichtjahren Ausdehnung in ihrem Zentralbereich. In dieser zentralen Sternfabrik
werden zur Zeit mehr Sterne neu geboren als in unserer gesamten Milchstraße. M82
wird auch oft als "explodierende" Galaxie bezeichnet, da in optischen und
Infrarotaufnahmen dieser Galaxie tatsächlich der Eindruck entsteht, als ob sie
komplett auseinandergerissen werden würde.
Dieses Erscheinungsbild ist das Resultat zahlreicher Supernova-Explosionen im
Kernbereich der Galaxie. Eine große Anzahl früherer Supernova-Ereignisse ist
nach wie vor in Radiobildern des Zentralbereichs von M82 sichtbar und eine neue
Supernova-Explosion war längst überfällig. Ein Vierteljahrhundert haben die
Astronomen inzwischen versucht, solch eine kosmische Katastrophe live zu
beobachten und wunderten sich bereits, warum die Galaxie in den letzten Jahren
so ruhig war.
Die neue Entdeckung, über die die Wissenschaftler jetzt in einem Beitrag für
die Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics berichten, erfolgte im
April 2009, als Dr. Andreas Brunthaler vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie (MPIfR) in Bonn Daten untersuchte, die erst unmittelbar zuvor
mit dem Very Large Array (VLA) im US-Bundestaat New Mexico aufgenommen
worden waren. Das VLA ist ein Radiointerferometer zusammengesetzt aus 27
Einzelteleskopen von je 25 m Durchmesser.
"Ich habe danach sofort die älteren Daten überprüft, die wir vom März und Mai
vorigen Jahres hatten, und da war die Supernova auch, sogar heller als der ganze
Rest der Galaxie", berichtet Brunthaler. Radiodaten von M82, die vor dem Jahr
2008 aufgenommen wurden, zeigen weder im Radio- noch im Röntgenbereich
irgendwelche Auffälligkeiten an der Position der Supernova. Allerdings zeigen
auch Beobachtungen von M82, die im Jahr 2008 mit optischen Teleskopen speziell
zu dem Zweck durchgeführt wurden, neue Supernovae aufzufinden, keinerlei
Anzeichen dieser Sternexplosion. Die Supernova bleibt ebenso auf Bildern in
Ultraviolett- oder Röntgenwellenlängen unsichtbar.
Die Supernova ist nahe am Zentrum der Galaxie in einer sehr dichten
interstellaren Umgebung explodiert. Dies könnte auch das Rätsel der langen Ruhe
in M82 erklären: viele dieser Explosionen sind wie "unterirdische Explosionen",
bei denen der helle Lichtblitz durch riesige Gas- und Staubwolken verdeckt wird,
die nur von Radiowellen durchdrungen werden können. "Diese kosmische Katastrophe
zeigt uns, dass wir mit unseren Radioteleskopen einen Logenplatz haben, von dem
aus wir einen ansonsten unsichtbaren Teil des Universums beobachten können",
sagt Prof. Heino Falcke von der Radboud Universität in Nijmegen & ASTRON.
Ohne die Verschleierung hätte man die Explosion auch in einem mittleren
Amateurteleskop sehen können. Radiostrahlung sieht man nur bei sogenannten "core
collapse" Supernovae, bei denen der Kern eines massiven Sternes kollabiert und
dabei ein Schwarzes Loch oder ein Neutronenstern entsteht. Sie wird sichtbar,
wenn die Stoßwelle von der eigentlichen Explosion sich in dichteres Material in
der Umgebung des Sterns ausbreitet. Das ist normalerweise Material, das von dem
massereichen Vorläuferstern der Supernova stammt und bereits vor der Explosion
in Form eines intensiven Sternwinds in die Umgebung des Sterns abgeblasen wurde.
Die zehn Radioteleskope des VLBA-Netzwerks, das VLA und das Green Bank
Telescope (alle in den USA) sowie das 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg
wurden in der Technik der Interferometrie mit großen Basislinien ("Very Long
Baseline Interferometry", VLBI) zu einem virtuellen Riesenteleskop
zusammengeschaltet. Damit konnte das Forschungsteam Bilder erzeugen, die eine
ringförmige Struktur zeigen, die sich mit mehr als 40 Millionen
Stundenkilometern ausbreitet. Das entspricht 4 Prozent der Lichtgeschwindigkeit
und ist typisch für die Expansion von Supernovae.
"Durch die Rückrechnung dieser Expansion können wir den Zeitpunkt der
eigentlichen Supernova-Explosion bestimmen," erklärt Brunthaler. "Unsere Daten
zeigen, dass der Stern wohl Ende Januar oder Anfang Februar 2008 explodiert sein
muss." Nur drei Monate nach der Explosion war der Ring bereits 650 mal größer
als die Erdbahn um die Sonne. Es erfordert trotzdem den extrem scharfen Blick
des weltweiten VLBI-Netzwerks, eine solche Struktur aufzulösen, die lediglich so
groß erscheint wie eine 1-Euro-Münze aus einer Entfernung von 13.000 km. Das
asymmetrische Aussehen der Supernova auf den VLBI-Bildern deutet darauf hin,
dass entweder die Explosion selbst sehr asymmetrisch erfolgte, oder aber, dass
das Material in der direkten Umgebung sehr ungleichmäßig verteilt sein muss.
"Mit dem superscharfen Blick des VLBI-Netzwerks können wir die Expansion der
Supernova in das dichte Material der Umgebung über die kommenden Jahre
verfolgen," sagt Prof. Karl Menten, Direktor am MPIfR. "Dadurch gewinnen wir
neue Erkenntnisse über beides, die Explosion selbst und das Material, in die sie
sich ausbreitet." Mit der nächsten Generation von Radioteleskopen dürften
Entdeckungen wie die neue Supernova in M82 zur Routine werden.
Instrumente wie LOFAR, das "Low Frequency Array", das zur Zeit in Europa
aufgebaut wird, das "Allen Telescope Array" (ATA) in den USA und vor allem das
geplanten "Square Kilometer Array" (SKA), dem großen Radioteleskop der nächsten
Generation werden dazu in der Lage sein, große Bereiche des Himmels systematisch
und durchgehend zu beobachten. Das Forschungsteam umfasst Andreas Brunthaler,
Karl M. Menten und Christian Henkel, alle vom MPIfR in Bonn, Mark J. Reid vom
CfA (Cambridge, USA), Geoffrey C. Bower von der Berkeley-Universität in
Kalifornien, und Heino Falcke von der Universität Nijmegen und ASTRON
(Niederlande).
|