Neues über Tychos Supernova
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
4. Dezember 2008
Astronomen haben jetzt die Natur einer berühmten Supernova
aufgeklärt: Lichtechos erlaubten es, eine im 16. Jahrhundert vom dänischen
Astronomen Tycho Brahe und dessen Zeitgenossen beobachtete Sternexplosion erneut
zu untersuchen und spektroskopisch zu klassifizieren. Demnach handelte es sich um
die thermonukleare Explosion eines weißen Zwergsterns.
Das "Leichentuch" einer Sonne: Für diese Ansicht
des Supernova-Überrests wurden Bilder im
Infrarot- und Röntgenbereich der Satelliten
Spitzer und Chandra sowie des Observatoriums auf
dem Calar Alto kombiniert. Die Explosion des
weißen Zwergsterns hinterließ eine mehrere
Millionen Grad heiße Wolke aus Gas und Staub.
Bild: Max-Planck-Institut für Astronomie
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Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in
Heidelberg haben die Natur einer berühmten Supernova aufgeklärt: Lichtechos
erlaubten es, eine im 16. Jahrhundert vom dänischen Astronomen Tycho Brahe und
dessen Zeitgenossen beobachtete Sternexplosion erneut zu untersuchen und
spektroskopisch zu klassifizieren. Demnach handelte es sich bei Tychos Supernova
um die thermonukleare Explosion eines weißen Zwergsterns. Das Ergebnis führt zu
einem genaueren Verständnis dieser kosmischen Katastrophen, die wesentlich zur
Entstehung schwerer Elemente, etwa Eisen, beitragen und als wichtige
Entfernungsmarken im Universum dienen. Die Astronomen berichten über ihre
Resultate in der heute erschienenen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.
Im Herbst des Jahres 1572 erschien ein neuer Stern am Himmel. Das Objekt
leuchtete heller als alle anderen sichtbaren Sterne und verschwand schließlich
wieder im April 1574 - nicht jedoch, ohne das Weltbild der damaligen Zeit
nachhaltig zu verändern: Der dänische Astronom Tycho Brahe schloss durch präzise
Positionsbestimmungen, dass der neue Stern deutlich weiter von der Erde entfernt
sein müsse als der Mond. Dies stand in krassem Widerspruch zum damaligen
Weltbild nach Aristoteles, wonach die translunare Welt - einschließlich der
Sphäre der Fixsterne - als unveränderlich und ewig galt. Tychos Supernova legte
einen der Grundsteine für die umwälzenden Veränderungen des Weltbilds im
ausklingenden Mittelalter, die von Tycho Brahe, Kepler, Galilei und anderen
fortgesetzt wurden.
Doch die Beobachter des 16. Jahrhunderts wussten nicht, mit welcher Art von
Objekt sie es hier zu tun hatten. Durch einen Beobachtungstrick mithilfe eines
interstellaren "Spiegels" konnte nun ein internationales Forscherteam unter
Leitung von Oliver Krause am Max-Planck-Institut für Astronomie den von Tycho
Brahe beobachteten Lichtausbruch nochmals detailliert untersuchen. Als ein Stern
vor mehr als 11.000 Jahren explodierte, sandte er sein helles Licht nach allen
Richtungen aus. Dieses Licht passierte die Erde im Jahr 1572 und war danach
zunächst auf ewig verloren.
Nun gelang eine "posthume" Spektroskopie der längst verblassten Supernova,
weil die Astronomen mit Teleskopen des Calar Alto Observatoriums
(Deutsch-Spanisches Astronomisches Zentrum in Andalusien) mehrere kurzlebige
Reflexe des damaligen Lichtblitzes an Staub- und Gaswolken in der weiteren
Umgebung der Sternexplosion ausmachen konnten: Der Umweg einiger Lichtbündel
über die Reflexion an diesen Wolken hatte aufgrund der endlichen Geschwindigkeit
des Lichts zu derartigen Verzögerungen geführt, dass sie die Erde erst heute,
nach 436 Jahren, erreichen.
So wurden die Forscher erneut Zeugen des damaligen Geschehens. Und sie
analysierten das Licht der Supernova von 1572 mit modernen spektroskopischen
Methoden des 21. Jahrhunderts. Dabei stellte sich heraus, dass das abgeworfene
Material keinen Wasserstoff, jedoch Silizium und Eisen enthält, deren Linien im
Spektrum der Supernova erscheinen. Diese Beobachtung ermöglicht jetzt die
sichere Klassifikation der Sternexplosion. Es handelte sich um eine Supernova
vom Typ Ia. Dabei wird die Masse eines weißen Zwergsterns durch
Material-Transfer von einem Begleitstern über eine kritische Grenze hinaus
getrieben. Beim Überschreiten dieser Grenzmasse "kriegt" der Zwergstern "zu
viel": Er kollabiert, und in der Folge zündet eine thermonukleare Explosion, die
ihn vollständig zerstört. Gas und Staub entfernen sich mit vielen Tausend
Kilometern pro Sekunde in alle Richtungen und geraten in heftige Wechselwirkung
mit der interstellaren Materie der Umgebung.
Das dabei entstehende hochgradig angeregte und deshalb hell leuchtende
Gemisch aus stellarer und interstellarer Materie bildet den Supernova-Überrest.
Das jetzt gewonnene Spektrum zeigt bisher unbekannte Details der Explosion. So
besitzt ein Teil des abgeworfenen Materials eine deutlich höhere
Raumgeschwindigkeit als der Rest, was auf eine nicht kugelsymmetrische Explosion
hindeutet. Dieser Befund legt wichtige Randbedingung für Modellrechnungen der
Explosion fest. Aufgrund ihrer konstanten Leuchtkraft werden Supernovae vom Typ
Ia als Entfernungsindikatoren im Universum eingesetzt. Mit ihrer Hilfe haben
Wissenschaftler vor einiger Zeit auf die Existenz der Dunklen Energie
geschlossen.
Supernovae vom Typ Ia gelten auch als Hauptproduzenten schwerer Elemente.
Trotz der zentralen Rolle dieser Explosionen weist unser Wissen um sie weiterhin
Lücken auf. Alle bisher direkt beobachteten Supernovae vom Typ Ia lagen in
fernen Galaxien. Tychos Supernova gewinnt nun den Rang einer heute beobachteten
Supernova in unserer eigenen Milchstraße. Die aktuellen Befunde werfen neues
Licht auf das umfangreiche, im Lauf der Jahrzehnte aus dem berühmten Überrest
dieser Sternexplosion gewonnene Datenmaterial. Dies wird zu einem besseren
Verständnis solcher Objekte beitragen. Zukünftige Beobachtungen weiterer
Lichtechos sollten es auch ermöglichen, erstmals dreidimensionale Ansichten
einer Supernova-Explosion zu rekonstruieren.
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