Entdeckt NASA-Teleskop schwaches Glimmen?
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
6. November 2008
Theoretisch, so die Ansicht von Wissenschaftlern, könnte das
neue NASA-Gammastrahlenteleskop Fermi ein schwaches Glimmen der
ominösen Dunklen Materie aufspüren. Doch wo genau soll es danach suchen? Ein
internationales Wissenschaftler-Team hat jetzt, nach Auswertung einer
entsprechenden Simulation auf einem der größten Supercomputer Europas,
entsprechende Vorschläge gemacht.
Projizierte Dichte der Dunklen Materie in einer
simulierten Galaxie mit der Größe der
Milchstraße. Myriaden von Klumpen aus Dunkler
Materie kreisen in dem Halo der Galaxie. Ihre
dichten Zentren strahlen energiereiche
Gammastrahlung ab, die durch gegenseitige
Vernichtung von Teilchen der Dunklen Materie
erzeugt wird.
Bild: Max-Planck-Institut für
Astrophysik |
Das Fermi-Teleskop, das schon seit einigen Monaten den Himmel nach Gammastrahlen durchsucht, könnte in den nächsten Jahren ein schwaches Glimmen der Dunklen Materie aufspüren. Während deren Gravitationswirkung bereits vor über 75 Jahren entdeckt wurde, bleibt die Dunkle Materie bis heute für alle Teleskope unsichtbar, obwohl sie rund 85 Prozent aller kosmischen Materie ausmacht. Unter den richtigen Bedingungen könnte diese neue Art von Elementarteilchen genügend Gammastrahlen produzieren, um vom Fermi-Teleskop entdeckt werden zu können. Darüber hinaus soll der Teilchenbeschleuniger
Large Hadron Collider (LHC) in der Nähe von Genf Belege dafür finden.
Aber wohin soll das Fermi-Teleskop ausgerichtet werden, um die
Gammastrahlen-Signatur der Dunklen Materie zu sehen? Astrophysiker aus
Deutschland, Großbritannien, Kanada und den Niederlanden, die sich zum Virgo-Konsortium zusammengeschlossen haben, simulierten jetzt mithilfe eines extrem leistungsfähigen Supercomputers am Leibniz-Rechenzentrum in Garching die Entstehung der Strukturen Dunkler Materie, die eine Galaxie wie unsere Milchstraße umgeben.
Solche Halos sind mehr als eine Billion Mal massereicher als unsere Sonne und stellen die Grundeinheiten der kosmischen Struktur dar.
Der Halo der Milchstraße entstand vermutlich durch eine Reihe gewaltiger Kollisionen viel kleinerer Klumpen, die aus dem Urknall hervorgingen, und dann verschmolzen. Die meisten davon wurden auseinandergerissen, aber einige haben den Prozess überstanden. Die größten davon beherbergen heute bekannte Satellitengalaxien wie die Magellanschen Wolken oder die Sagittarius-Zwerggalaxie. Andere Klumpen waren zu klein, als dass Sterne aus ihnen hätten entstehen können. Astronomen vermuten aber, dass sie sich immer noch im Halo unserer Galaxie verbergen, wenngleich kein Teleskop sie bisher entdeckt hat.
Gammastrahlen werden in Regionen mit einer hohen Dichte von Dunkler Materie erzeugt, wenn die Teilchen zusammenstoßen und zerstört werden. Viele Kosmologen gehen bisher davon aus, dass das
Fermi-Teleskop nach Gammastrahlen aus den Trabanten der Milchstraße suchen sollte, da deren Zentren sehr dicht sind. Die Simulationen des
Virgo-Teams zeigen aber, dass dies nicht der beste Ort für die Suche ist. Die sorgfältigen Berechnungen der Wissenschaftler,
die ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature
veröffentlichen, belegen, dass Signale am leichtesten in Regionen der Milchstraße entdeckt werden könnten, die zwar innerhalb der Umlaufbahn der Sonne um das galaktische Zentrum, aber nicht zu nah an diesem liegt.
Genau ins Zentrum zu blicken, wäre eine schlechte Strategie für das Fermi-Teleskop. Das Signal könnte dabei durch Gammastrahlen von anderen Quellen, wie beispielsweise den Überbleibseln von Supernovae oder von Gaswolken gestört werden, in denen sich Sterne bilden. Stattdessen empfehlen die Wissenschaftler, 10 bis 30 Winkelgrade außerhalb des Zentrums zu suchen. Die Dunkle Materie sollte dort in einem sich gleichmäßig verändernden und charakteristischen Muster leuchten.
"Wenn das Teleskop tatsächlich die vorausberechnete Emission aus dem gleichmäßigen inneren Halo der Milchstraße entdeckt, dann könnte es, wenn wir Glück haben, auch Gammastrahlen aus kleinen (und ansonsten unsichtbaren) Klumpen von Dunkler Materie sehen, die zufällig besonders nah an der Sonne liegen",
erläutert Volker Springel vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching,
der das Forscherteam leitete. Diese Klumpen werden deutlich lichtschwächer sein als der Haupthalo, könnten aber dennoch entdeckt werden. Die bekannten Satellitengalaxien würden ebenfalls in Gammastrahlen sichtbar sein, obwohl ihre Entdeckung aufgrund ihres größeren Abstandes noch schwieriger ist.
Die Simulation benötigte insgesamt 3,5 Millionen Rechnerstunden. "Mitunter glaubte ich, sie wird nie fertig",
erinnert sich Springel.
"Diese Berechnungen erlauben uns endlich, zu sehen, wie die Verteilung der Dunklen Materie nahe der Sonne aussehen sollte", erklärt Simon White, Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik.
"Das Rätsel um die Dunkle Materie zu lösen, wäre eine der größten wissenschaftlichen Leistungen unserer Zeit. Es ist bemerkenswert, dass sogar theoretische Fortschritte auf einem so wichtigen Gebiet jetzt in internationaler Zusammenarbeit erzielt werden", sagt Carlos Frenk,
Direktor des Institute for Computational Cosmology an der Durham University.
An der Arbeit des Virgo-Konsortiums waren Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Deutschland, des
Institute for Computational Cosmology an der Durham University in Großbritannien, der
University of Victoria in Kanada und der Universität Groningen in den Niederlanden beteiligt. Sie wurde finanziert durch die Max-Planck-Gesellschaft, das Leibniz-Rechenzentrum, den
Royal Society Wolfson Research Merit Award und den Science and Technology Facilities Council.
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