Detaillierter Blick ins Zentrum der Milchstraße
Redaktion /
Pressemitteilung des MPIfR astronews.com
4. September 2008
Ein internationales Team von Astronomen hat, unter
Beteiligung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR)
in Bonn, den bisher bestaufgelösten Blick auf die Zentralquelle unserer
Milchstraße erhalten. Hier vermuten Astronomen seit langem ein extrem
massereiches Schwarzes Loch. Bald könnte es sogar gelingen, auch die Rotation
des Objektes zu messen.
Schematische
Darstellung der Zentralquelle unserer
Milchstraße mit Material in einer sogenannten
Akkretionsscheibe, das auf spiralförmigen Bahnen
in das zentrale Schwarze Loch eingesogen wird.
Dabei wird Energie in Form von zwei fast
lichtschnellen Materiestrahlen oder Jets
senkrecht zur Akkretionsscheibe freigesetzt.
Foto: NASA / CXC / M.Weiss |
Die Astronomen haben durch eine interferometrische Zusammenschaltung von
Radioteleskopen in Hawaii, Arizona und Kalifornien ein virtuelles Radioteleskop
von 4.500 Kilometern Durchmesser erzeugt, mit dem ein mehr als 1.000-mal
schärferer Blick im Radiowellenbereich möglich ist, als mit dem Hubble
Weltraumteleskop im sichtbaren Licht. Ziel der Beobachtungen war die kompakte
Radioquelle im Zentralbereich unserer Milchstraße, die unter dem Namen
Sagittarius A* bekannt ist. Seit Längerem wird angenommen, dass sich an der
Position dieser Quelle ein sehr massereiches Schwarzes Loch befindet, das rund
vier Millionen mal schwerer als die Sonne ist.
Obwohl Sagittarius A* bereits vor über drei Jahrzehnten entdeckt wurde, wird
erst durch die aktuellen Messungen eine Winkelauflösung (oder Fähigkeit, extrem
feine Details zu beobachten) erreicht, die es ermöglicht, den "Ereignishorizont"
des Schwarzen Lochs zu kartieren, also die Region, die als Grenze zwischen dem
Inneren des Schwarzen Loches und der Außenwelt gilt.
Das Konzept eines "Schwarzen Lochs", eines Objekts mit derart hoher Dichte,
dass seiner Schwerkraft selbst das Licht nicht mehr entrinnen kann, gibt es als
Hypothese schon recht lange. Aber die tatsächliche Existenz von Schwarzen
Löchern ist nach wie vor noch nicht eindeutig bestätigt, obwohl sie inzwischen
als äußerst wahrscheinlich gilt.
Die Astronomen untersuchen (Kandidaten für) Schwarze Löcher durch die
Beobachtung von Strahlung, die bei der Aufheizung von Materie während ihrer
Annäherung an das alles aufsaugende Schwarze Loch, bzw. seinem Materiestrudel
und Ereignishorizont entsteht. Durch die Vermessung der Ausdehnung dieser
strahlenden Region im Zentrum unserer Milchstraße konnte die bis jetzt höchste
Materiedichte im Zentralbereich unserer Milchstraße abgeleitet werden.
Dies sind "wichtige neue Messdaten, die die These der Existenz von riesigen
Schwarzen Löchern im Zentrum von allen Galaxien weiter untermauert", sagt
Sheperd Doeleman vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), der
Erstautor der Fachveröffentlichung, die heute in der Zeitschrift Nature
erscheint. "Diese Beobachtungstechnik ermöglicht uns einen bisher einmaligen
Blick in den Bereich des zentralen Schwarzen Lochs unserer Milchstraße. Die
neuen Daten erreichen eine Auflösung, die ausreichend wäre, von der Erde aus
einen Tennisball auf der Oberfläche des Mondes zu sehen."
Der Schlüssel zu solch hochauflösenden Beobachtungen ist eine besondere
Technik, die als Very Long Baseline Interferometry (Interferometrie mit
weit voneinander entfernten Teleskopen), kurz VLBI bezeichnet wird. Dabei wird
die von dem kosmischen Objekt ausgesandte Radiostrahlung gleichzeitig an
mehreren Radioteleskopen, die über Tausende von Kilometern voneinander getrennt
sein können, empfangen und aufgezeichnet. Die Signale der einzelnen Teleskope
werden im Computer so miteinander verbunden, dass dadurch ein virtuelles
Teleskop entsteht, dessen Winkelauflösung (oder Trennschärfe) der eines
Riesenteleskops von der Größe des Abstands zwischen den am weitesten voneinander
entfernten Teleskopen entspricht.
So können mit der VLBI-Technik erstaunlich feine Details in den beobachteten
kosmischen Objekten erkannt werden. Die neuen Beobachtungen wurden bei sehr
kurzen Radiowellenlängen von nur 1,3 mm (entsprechend einer Frequenz von 230
GHz) durchgeführt, hochfrequente Radiowellen, die das stark turbulente
interstellare Gas durchdringen können. Wie ein fernes Licht, das man durch
dichten Nebel sieht, werden Strukturen bei längeren Wellenlängen abgeschwächt
und erscheinen verschmiert und unscharf.
"Die Kombination aus Beobachtungen bei kurzen Millimeter-Wellenlängen, in
Verbindung mit großen Abständen zwischen den Teleskopen liefert nun ein
einzigartiges Messinstrument, das die detaillierte Untersuchung des Schwarzen
Lochs im Zentrum unserer Milchstraße erlaubt", sagt Lucy Ziurys, Direktorin des
Arizona Radio Observatory und Ko-Autorin dieser Veröffentlichung.
Obwohl das Licht mehr als 25.000 Jahre vom Zentrum der Milchstraße bis zur
Erde benötigt, haben die beteiligten Forscher die Größe von Sagittarius A* bis
auf einen Durchmesser von nur einem Drittel des Abstands Erde-Sonne genau
bestimmen können - eine Strecke, für die das Licht nur drei Minuten braucht. Aus
den Messergebnissen schließen die Astronomen, dass die Quelle der ausgesandten
Radiostrahlung extrem klein ist, und entweder aus der um das Schwarze Loch
strudelnden Materiescheibe (einer sogenannten Akkretionsscheibe) stammt, oder zu
einem Hochgeschwindigkeits-Materiestrahl (Jet) gehört, der durch das
(rotierende) Schwarze Loch erzeugt wird.
"Zukünftige Beobachtungen mit sogar noch größeren virtuellen Radioteleskopen
werden es uns bald ermöglichen, genau zu bestimmen, auf welche Weise die
Strahlung von Sagittarius A* erzeugt wird", sagt Doeleman. "Bei den meisten weit
entfernten Galaxien dürften wir Schwarze Löcher im Zentrum finden, aber nur
Sagittarius A* im Zentrum unserer Milchstraße ist so nahe, dass wir beobachten
können, was sich direkt am Ereignishorizont abspielt."
"Die vorliegende Arbeit zeigt, dass erfolgreiche VLBI Messungen jetzt auch im
kurzen Millimeterwellenlängenbereich möglich sind. Das eröffnet fantastische
Möglichkeiten, Radiobilder mit millionenfacher Vergrößerung von den massereichen
Schwarzen Löchern in den Kernen der nächsten Galaxien zu erzeugen", blickt
Thomas Krichbaum vom MPIfR, Teammitglied und Ko-Autor der Untersuchung, in die
Zukunft. "Zum ersten Mal konnten wir sogar Strukturen im Inneren der
Akkretionsscheibe messen, die kleiner als die Scheibe selbst sind. In naher
Zukunft sollte es uns möglich sein, die Rotation des Schwarzen Lochs im Zentrum
unserer Milchstraße zu bestimmen und damit Einsteins Allgemeine
Relativitätstheorie auch im Falle extrem großer Massen zu überprüfen."
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