Wie die Erdatmosphäre Sauerstoff verliert
von Stefan Deiters astronews.com
29. August 2008
Die Erdatmosphäre verliert ständig Sauerstoff. Dank der vier
europäischen Cluster-Sonden gelang es Wissenschaftlern jetzt, den physikalischen
Mechanismus zu entschlüsseln, der für diesen Verlust verantwortlich ist.
Offenbar sorgt das Magnetfeld dafür, dass der Sauerstoff beschleunigt
wird und so ins All entkommen kann. Grund zur Sorge besteht aber nicht.

Cluster konnte
jetzt klären, wie es zu Verlusten von Ionen aus
der Erdatmosphäre kommt.
Bild: NASA / ESA |
Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse basieren auf
Messungen der vier Cluster-Sonden aus den Jahren 2001 bis 2003. Die Sonden
entdeckten in dieser Zeit gebündelte Ströme von elektrisch geladenen
Sauerstoffatomen, also Ionen, die von den Polarregionen ins All schossen.
Gleichzeitig bestimmte Cluster die Ausrichtung und Stärke des Erdmagnetfeldes,
wenn diese Partikelströme zu beobachten waren.
Die Auswertung der Daten ergab, dass die Sauerstoff-Ionen offenbar durch
Änderungen in der Richtung des Magnetfeldes beschleunigt werden. Für die
Feststellung war die gleichzeitige Beobachtung mit den vier Cluster-Sonden
außerordentlich wichtig. "Cluster erlaubte uns, den Gradienten des Magnetfeldes
zu bestimmen und zu verfolgen, wie es mit der Zeit seine Richtung änderte",
erläutert Hans Nilsson vom Swedish Institute of Space Physics, der das
Forscherteam leitete.
Vor Erkundung dieser Region durch Raumsonden waren Wissenschaftler davon
ausgegangen, dass sich im Erdmagnetfeld ausschließlich Partikel des Sonnenwindes
finden lassen, die eine Art Pufferzone bilden und so eine direkte Wechselwirkung
zwischen Erdatmosphäre und Sonnenwind unterbinden. "Jetzt wird uns langsam klar,
wie viele Wechselwirkungen es zwischen dem Sonnenwind und der Atmosphäre geben
kann", so Nilsson.
Energiereiche Partikel des Sonnenwindes können etwa entlang der
Magnetfeldlinien in die Erdatmosphäre eindringen und hier für Polarlichter in
den Polarregionen sorgen. Der gleiche Mechanismus kann auch Sauerstoff-Ionen mit
ausreichend Energie versorgen und sie so beschleunigen, dass sie die Atmosphäre
verlassen und ins Magnetfeld geraten können.
Die Daten sammelten die Cluster-Sonden als sie sich in einer Höhe
zwischen 30.000 und 64.000 Kilometer über den Polen der Erde befanden. Messungen
früherer Sonden hatten gezeigt, dass entweichenden Ionen umso schneller waren,
je weiter entfernt sie von der Erde beobachtet wurden. Dies deutete darauf hin,
dass irgendein Beschleunigungsmechanismus am Werk sein muss, doch um was genau
es sich handelt, konnte erst die Cluster-Studie klären.
Die Menge an Sauerstoff, die auf diese Weise der Erdatmosphäre verloren geht,
ist äußerst gering. Zur Zeit besteht also kein Grund zur Sorge. Das könnte sich
allerdings ändern, wenn die Sonne älter und damit heißer wird. "Wir können die
Veränderungen in der Zukunft aber nur vorhersagen, wenn wir den genauen
Mechanismus verstehen", so Nilsson.
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