Wie die
größten Galaxien entstehen
von Stefan Deiters astronews.com
26. August 2008
Mit Hilfe der leistungsfähigsten Teleskope auf der Erde und
im All haben Astronomen diverse massereiche Galaxien aufgespürt, die gerade
miteinander verschmelzen. Der Fund in etwa vier Milliarden Lichtjahren
Entfernung unterstützt die Theorie, nach der massereiche Galaxien durch
aufeinanderfolgende Verschmelzungen kleinerer Galaxien entstehen.

Die massereichsten Galaxien der vier Gruppen -
geordnet nach ihrer Masse (von oben nach unten).
Bei der Galaxie im dritten Bild konnte Hubble
einen doppelten Kern nachweisen, hier findet
also gerade eine Verschmelzung statt.
Bild: ESO |
Wie entstehen eigentlich die Galaxien, die wir heute beobachten,
insbesondere die größten und massereichsten Exemplare? Die beliebteste Theorie
der Astronomen dazu ist das sogenannte hierarchische Modell der
Galaxienentwicklung, nach dem die großen Galaxien durch Verschmelzung vieler
kleinerer Galaxien entstehen. Dieses Prinzip lässt sich mit einem großen Fluss
vergleichen, der von der Quelle bis zur Mündung durch zahlreiche Zuläufe
kleinerer Flüsse immer größer wird.
Massereiche Galaxien müssen, um auf ihre heutige Größe zu kommen, eine ganze
Reihe von Verschmelzungen hinter sich haben. Doch wann gewannen sie dadurch den
größten Teil ihrer Masse? Um dies herauszufinden, studieren Astronomen
massereiche Galaxien in Galaxienhaufen, also Ansammlungen von zahlreichen
Galaxien. "Ob die hellsten Galaxien in den Haufen in den vergangenen Milliarden
Jahren deutlich gewachsen sind oder nicht, wird heiß diskutiert", erläutert Kim-Vy
Tran von der Universität in Zürich, der das Forscherteam leitete. "Wir haben
festgestellt, dass diese Galaxien in dieser Zeit ihre Masse um 50 Prozent
vergrößert haben."
Für ihre Arbeit verwendeten die Astronomen sowohl das Very Large
Telescope der ESO als auch das Weltraumteleskop Hubble und
beobachteten eine Reihe von Galaxien in rund vier Milliarden Lichtjahren
Entfernung. Die Galaxien befinden sich in einem recht außergewöhnlichen System
aus vier Galaxiengruppen, die zu einem großen Galaxienhaufen verschmelzen
werden. Insgesamt konnten die Wissenschaftler 198 Galaxien identifizieren, die
zu den vier Gruppen gehören.
Die hellsten Galaxien jeder Gruppe enthalten zwischen 100 und 1.000
Milliarden Sterne und entsprechen damit von der Masse her den massereichsten
Galaxien in Galaxienhaufen. "Am meisten überrascht hat uns, dass in drei der
vier Gruppen die massereichsten Galaxien auch noch einen sehr hellen Begleiter
hatten. Es waren also Galaxienpaare, die bald verschmelzen", so Tran.
Aus den hellsten Galaxien jeder Gruppe lässt sich eine Art zeitliche Abfolge
erstellen, aus der erkennbar ist, dass Wachstum durch Verschmelzung von Galaxien
noch innerhalb der letzten fünf Milliarden Jahre stattfand. Durch die jüngste
Episode dieses "galaktischen Kannibalismus" wurden die hellsten Galaxien um
mindestens 50 Prozent massereicher. Damit bestätigen die Beobachtungen
eindrucksvoll das hierarchische Modell der Galaxienentwicklung sowohl für
individuelle Galaxien als auch für Galaxienhaufen.
"Die Sterne in diesen Galaxien sind schon relativ alt, deswegen muss man
davon ausgehen, dass durch die jüngsten Verschmelzungen keine neue Generation
von Sternen entstanden ist", so Tran. "Die meisten Sterne dieser Galaxien sind
mindestens sieben Milliarden Jahre alt." Die Forscher veröffentlichten ihre
Resultate in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters.
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