Sternentstehung um
Schwarze Löcher?
von Stefan Deiters astronews.com
22. August 2008
Woher stammen die massereichen Sterne, die man auch in
unmittelbarer Nähe des zentralen Schwarzen Lochs der Milchstraße aufgespürt hat?
Entstanden sein, so bislang die Ansicht, können sie in dieser extremen Umgebung
nicht. Wirklich nicht? Computersimulationen schottischer Astronomen deuten nun
darauf hin, dass Sternentstehung sehr wohl in der Nähe eines supermassereichen
Schwarzen Lochs möglich ist.

In der Simulation entstanden in einer
elliptischen Gasscheibe um das zentrale Schwarze
Loch zahlreiche neue Sterne.
Bild: I. Bonell & K. Rice /
University of St. Andrews |
Die Existenz von massereichen Sternen in der Nähe des zentralen
Schwarzen Lochs unserer Milchstraße hat Wissenschaftler lange Zeit vor ein
Problem gestellt: Wie konnten diese Sterne, deren Bahnen vor einigen Jahren so
eindrucksvoll mit dem Very Large Telescope verfolgt worden waren, in
dieser extremen Umgebung entstehen? Molekülwolken, aus denen Sterne geboren
werden, müssten in der Nähe eines supermassereichen Schwarzen Loches eigentlich
auseinandergerissen werden, was jede Sternentstehung verhindern dürfte.
Erst im vergangenen Monat hatten Bonner Astronomen daher eine Theorie
vorgestellt, nach der die Sterne in der Nähe des Schwarzen Lochs aus einem in
größerer Entfernung der Schwerkraftfalle liegenden Ring stammen (astronews.com
berichtete). Doch jetzt glauben zwei Astronomen aus Schottland, dass dies gar
nicht nötig ist: Sterne, so ergaben Computersimulationen von Professor Ian
Bonnell von der Universität in St. Andrews und Dr. Ken Rice von der
University of Edinburgh, können sehr wohl in der Nähe eines Schwarzen Lochs
entstehen - und zwar in einer elliptischen Scheibe, die von massereichen
Gaswolken übriggeblieben ist, die in das Schwarze Loch gestürzt sind.
"Unsere Simulationen zeigen, dass junge Sterne in der Nähe eines
supermassereichen Schwarzen Lochs entstehen können - solange es ausreichend
Nachschub von massereichen Gaswolken aus den entfernteren Bereichen der Galaxie
gibt", so Bonnell.
In ihrer Simulation verfolgten die Wissenschaftler, wie zwei riesige
Gaswolken, jede mit einer Masse von bis zu 100.000 Sonnenmassen, ins Schwarze
Loch stürzen. Insgesamt benötigte die Simulation Rechenzeit von mehr als einem
Jahr. Zu erkennen ist, wie die Gaswolken auseinandergerissen werden und sich
eine Spiralstruktur um das Schwarze Loch bildet. Bewegungsenergie wird nun von
dem Gas, das sich näher am Schwarzen Loch befindet nach außen transportiert, so
dass Teile der Wolke ins Schwarze Loch stürzen, während andere entkommen können.
Unter diesen Bedingungen, so das Resultat der Forscher, können nur
massereiche Sterne entstehen, die darüber hinaus wegen der elliptischen Form der
Scheibe einen exzentrischen Orbit um das Schwarze Loch erhalten würden. Damit
erfüllen die jungen Sterne zwei wichtige auch beobachtete Merkmale: Sie sind
massereich und bewegen sich auf sehr exzentrischen Orbits um das
supermassereiche Schwarze Loch.
"Sehr wichtige war die Modellierung der Aufheizung und des Abkühlens des
Gases, da dies entscheidend ist, um festzustellen, wann ein Teil der Wolke
kollabieren kann und ein Stern entsteht", erklärt Rice. "Die Aufheizung kommt
durch die Kompression des Gases, wenn die Wolke vom Schwarzen Loch
auseinandergerissen wird. Dies wird durch die Abkühlung ausgeglichen, für deren
Berechnung man genau wissen muss, wie schnell die Strahlung aus der Wolke
entkommen kann."
"Die Sterne, die gerade um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum
kreisen, haben eine Lebenserwartung von nur zehn Millionen Jahren", so Bonnell.
"Das deutet darauf hin, dass dieser Vorgang sich immer wiederholt." Die
Astronomen hoffen, dass die jetzt entdeckten Prozesse ihnen auch helfen werden,
den Ursprung der supermassereichen Schwarzen Löcher in unserer und in anderen
Galaxien besser zu verstehen.
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