Eigene Klasse von Himmelskörpern?
Redaktion /
Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
21. August 2008
Bonner Astronomen glauben, dass die aktuelle Systematik
kosmischer Körper ergänzt werden muss: Braune Zwerge, so die Ansicht der
Forscher, sind nämlich offenbar nicht nur zu klein geratene Sterne, sondern
regelrechte stellare Fehlgeburten. Die Astronomen legten für ihres These jetzt
empirische Belege vor. Danach muss man künftig zwischen Planeten, Braunen
Zwergen und Sternen unterscheiden.
Sind Braune Zwerge, hier eine künstlerische
Darstellung eines Doppelsystems, eine eigene
Klasse von Objekten?
Bild: NASA, ESA und A. Feild (STScI) |
Muss die Systematik kosmischer Körper überarbeitet werden? Wenn es nach
Wissenschaftlern des Argelander-Instituts für Astronomie der Universität Bonn
geht, dann lautet die Antwort eindeutig ja: Sie glauben nämlich Belege dafür
gefunden zu haben, dass sogenannte Braune Zwerge als eine eigene Klasse neben
Sternen und Planeten behandelt werden müssen. Bisher hielt man sie nur für zu
klein geratene Sterne. Möglicherweise sind sie jedoch regelrechte stellare
"Fehlgeburten". Die Wissenschaftler veröffentlichen ihre Ergebnisse in der
Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.
Als Braune Zwerge bezeichnen Wissenschaftler Objekte mit einer Größe, die etwa
zwischen der von Planeten und richtigen Sternen liegt. Anders als diese können
sie jedoch aufgrund ihrer geringen Masse - weniger als etwa acht Prozent
der Sonnenmasse - keine nuklearen Fusionsprozesse im Inneren zünden. Doch
darüber hinaus scheinen sich Braune Zwerge und Sterne zu unterscheiden: Sterne
kommen nämlich oft in Paaren vor, die einander umrunden. Dabei kann der Abstand
der beiden Partner sehr gering sein, sogar geringer als der Erdbahnradius, den
man auch als eine Astronomische Einheit bezeichnet. Es finden sich aber auch
Systeme, bei denen mehrere tausend astronomische Einheiten zwischen den beiden
Sonnen liegen.
"Anders sieht es bei braunen Zwergen aus", erklärt der Astrophysiker Ingo Thies
vom Bonner Argelander-Institut für Astronomie. "Die Bahnradien von Braunen
Zwerg-Paaren sind oberhalb von etwa 15 astronomischen Einheiten abgeschnitten;
Braune Zwerg-Paare mit größeren Abständen sind die Ausnahme." Außerdem gibt es
kaum gemischte Paare aus Sternen und Braunen Zwergen - zumindest weit weniger
als erwartet.
"Nach dem klassischen Modell dürfte es diese Unterschiede nicht geben",
erläutert Professor Dr. Pavel Kroupa vom Argelander-Institut. "Demnach sollten
sowohl Braune Zwerge als auch Sterne aus interstellaren Gaswolken entstehen, die
sich aufgrund ihrer Masseanziehung zusammenballen. Wenn dem so wäre, sollten
sich diese Himmelskörper aber auch ähnlich verhalten."
Trotz dieses Widerspruchs hielt die astronomische Gemeinde bislang am
gemeinsamen Entstehungsmodell fest. Thies und Kroupa sind sich aber sicher, zum
ersten Male empirisch nachgewiesen zu haben, dass Braune Zwerge als eine von den
Sternen unabhängige Objektklasse gesehen werden müsben. "Dazu haben wir die
Massen neugeborener Sterne analysiert", so Thies. "Dabei wird ein Sprung in der
Masseverteilung sichtbar, die die Zweiteilung der stellaren Population
offensichtlich macht."
Wie aber entstehen dann Braune Zwerge? Bereits 2001 kamen der dänische Forscher
Bo Reipurth, die Britin Cathie Clarke und der spanische Astronom Eduardo
Delgado-Donate auf die Idee, Braune Zwerge als stellare "Totgeburten" zu
interpretieren: Ein System aus drei Sternen-Embryos zerfällt aufgrund der
gegenseitigen Masseanziehung, und das leichteste Objekt wird aus dem System
heraus katapultiert.
Der physikalische Mechanismus selbst ist seit langem bekannt: Auch die leichten
amerikanischen Pioneer- und Voyager-Raumsonden wurden durch
die Schwerkraft der Planeten auf ihre Reise ohne Wiederkehr ins All
geschleudert. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sich Braune Zwerge in den
äußeren Regionen entstehender Sterne bilden und von diesen getrennt werden. Dies
kann etwa aufgrund einer nahen Begegnung mit einem dritten Stern geschehen.
Da fast alle Sterne in Sternhaufen geboren werden, sind solche Begegnungen nicht
selten. Möglicherweise treten sogar beide Szenarien kosmischer Fehlgeburten auf.
Beide Theorien sagen voraus, dass Braune Zwerge nur bei der Geburt von Sternen
entstehen können - ähnlich übrigens wie Planeten. Damit, so die Ansicht der
Bonner Astronomen, sollte man zukünftig von drei grundsätzlich verschiedenen
Himmelsobjekten sprechen: von Planeten, Braunen Zwerge und Sternen.
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