Temperaturmessung im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
14. Mai 2008
Mithilfe des Very Large Telescope der europäischen
Südsternwarte ESO auf dem Gipfel des Paranal in Chile gelang es Astronomen nun
Kohlenmonoxid-Moleküle in einer fast elf Milliarden Lichtjahre
entfernten Galaxie nachzuweisen. Die Entdeckung erlaubt erstmals eine genaue Messung der
Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung in dieser Entfernung.
Absorptionslinien im Spektrum des Quasars
verraten den Astronomen etwas über die Elemente
in interstellaren Wolken in den Galaxien in der
Sichtlinie.
Bild: ESO [Großansicht] |
Die Entdeckung, über die die Wissenschaftler in einem Beitrag in der
Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics berichten, gelang dank mehr
als achtstündiger Beobachtungen mit dem Spektrographen UVES, der an einem der
Teleskope des Very Large Telescope der ESO auf dem Gipfel des Paranal in Chile
montiert ist. Die von den Astronomen aufgespürte Galaxie ist fast elf Milliarden
Lichtjahre von der Erde entfernt, so dass das Licht rund 80 Prozent des
gegenwärtigen Alters des Universums benötigte, um uns zu erreichen.
Die ferne Galaxie war allerdings gut versteckt und konnte nur durch die
Beobachtung eines noch weiter entfernten Quasars aufgespürt werden. In dessen
Spektrum hinterließ die Galaxie einen charakteristischen Fingerabdruck, der sie
verriet. "Quasare dienen uns bei diesen Beobachtungen nur als entfernte
Lichtquellen. Interstellare Wolken in Galaxien, die auf der Sichtlinie zwischen
uns und dem Quasar liegen, absorbieren Teile des Lichtes des Quasars. In dem
Spektrum können wir so gut bekannte Elemente und Moleküle identifizieren",
erläutert Raghunathan Srianand, der die Beobachtungen leitete.
Um diese besondere Art von Beobachtung zu ermöglichen, musste das Ziel
sorgfältig ausgewählt werden: Aus rund 10.000 Quasaren entschieden sich die
Forscher aber am Ende für das richtige Objekt, konnten sie doch im
interstellaren Gas der Galaxie in der Sichtlinie nicht nur normalen und
deuterierten Wasserstoff nachweisen, sondern auch Kohlenmonoxid. "Es ist das
erste Mal, dass diese drei Moleküle durch Absorption im Licht eines fernen
Quasars entdeckt wurden", so Teammitglied Cédric Ledoux von der ESO. "25 Jahre
hat man vergeblich versucht, sie aufzuspüren."
Das interstellare Gas in den Galaxien ist für Astronomen deswegen so
interessant, weil es als Reservoir für die Bildung von neuen Sternen dient. Die
Analyse der Zusammensetzung des Gases hilft den Wissenschaftlern daher, mehr
über die Entwicklung von Galaxien zu erfahren. In der entfernten Galaxie
beispielsweise scheinen die physikalischen Bedingungen im interstellaren Medium
ähnlich zu sein wie in unserer Milchstraße.
Doch der Fund in knapp elf Milliarden Lichtjahren Entfernung ist noch aus
einem anderen Grund wichtig: Mithilfe des entdeckten Kohlenmonoxids können die
Forscher die Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung an dieser Stelle
messen. "Im Gegensatz zu anderen Methoden, braucht man für die Messung der
Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung mit Kohlenmonoxid nur sehr wenige
zusätzliche Annahmen", erläutert Teammitglied Pasquier Noterdaeme.
Nach Ansicht der Astronomen entstand unser Universum durch den
sogenannten Urknall. Eine Art Reststrahlung dieses Ereignisses lässt sich bis
heute als Hintergrundstrahlung messen. Stimmt diese Theorie, müsste die
Hintergrundstrahlung zu früheren Zeiten wärmer gewesen sein. "Wenn man die
heutige Temperatur von 2,725 Kelvin zu Grunde legt, müsste man vor elf Milliarden
Jahren eine Temperatur von etwa 9,3 Kelvin erwarten", verdeutlicht Patrick Petitjean, der auch zum Beobachterteam gehörte. "Aus unseren Messungen ergab
sich ein Wert von 9,15 Kelvin plus oder minus 0,7 Kelvin, was sehr gut mit der
Theorie übereinstimmt."
"Wir glauben, dass wir mit unseren Beobachtungen eine Pionierarbeit auf dem
Gebiet der interstellaren Chemie in weiten Entfernungen geleistet haben", so
Srianand. "Und wir konnten zeigen, dass man interstellare Chemie auch zur
Überprüfung von kosmologischen Fragestellungen benutzen kann."
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