Rasender Stern aus anderer Galaxie
von Stefan Deiters astronews.com
29. Januar 2008
Vor etwas mehr als zwei Jahren entdeckten Astronomen einen
Stern, der mit hoher Geschwindigkeit durch den Halo unserer Galaxie rast und den
Wissenschaftlern einiges Kopfzerbrechen bereitete: Solche
Hochgeschwindigkeitssterne kommen in der Regel aus dem Zentrum unserer
Milchstraße. Nur war dies bei diesem Stern eigentlich unmöglich. Jetzt haben
Astronomen versucht, das Rätsel um HE0437-5439 zu lösen.
HE0437-5439 (hier eine künstlerische
Darstellung) stammt vermutlich aus der Großen Megallanschen Wolke.
Bild:
ESO |
Vor etwas mehr als zwei Jahren spürten deutsche Astronomen einen
bemerkenswerten Stern auf, der sich mit hoher Geschwindigkeit durch den Halo
unserer Galaxie bewegt: Doch HE0437-5439 stellte die Astronomen bald vor ein
großes Rätsel. Zwar kennen die Forscher inzwischen insgesamt zehn dieser
Hochgeschwindigkeitssterne, doch war HE0437-5439 anders als die anderen neun.
Alle Beobachtungsdaten der neun anderen rasenden Sterne stimmen nämlich mit der
These überein, dass sie aus dem Zentrum unserer Galaxie geschleudert wurden, wo
sich ein gewaltiges Schwarzes Loch befindet.
Bei HE0437-5439 hat man mit dieser Erklärung allerdings ein Problem: Obwohl
es zunächst so aussah als hätte der Stern eine passende chemische
Zusammensetzung, war er doch zu jung um die Strecke vom Zentrum der Milchstraße
bis zu seinem jetzigen Ort zurücklegen zu können: Für diese hätte er 100
Millionen Jahre gebraucht, der Stern ist aber nur 35 Millionen Jahre alt.
Schon die Entdecker vermuteten, dass HE0437-5439 aus der Großen Magellanschen
Wolken kommen könnte, einer Nachbargalaxie der Milchstraße. Dieses würde aber
bedeuten, dass es in der Magellanschen Wolke auch ein sehr massereiches
Schwarzes Loch geben müsste, das den Stern auf diese Geschwindigkeit
beschleunigt hat. Doch dies wurde bislang nicht entdeckt. Als Alternative boten
die Astronomen vor zwei Jahre eine weitere Erklärung an: Der Stern könnte älter
sein als er aussieht und beispielsweise durch die Verschmelzung zweier
massearmer Sterne entstanden sein.
"Wir waren fasziniert von diesem Rätsel und haben uns entschlossen, die
Herausforderung anzunehmen und es zu lösen", erläutert Alceste Bonanos von der
Carnegie Institution of Science. "Sterne in der Großen Magellanschen
Wolke haben eine geringere Häufigkeit an schweren Elementen als die meisten
Sterne unserer Galaxie, so wollten wir versuchen zu klären, ob die
Zusammensetzung des Sterns mehr nach unserer Milchstraße oder der anderen
Galaxie aussieht."
Bonanos und weitere Astronomen, die ihre Ergebnisse in einer der kommenden
Ausgaben der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters vorstellen,
konnten durch ihre Beobachtungen zunächst die früheren Resultate bestätigen: Der
Stern ist rund neun Mal massereicher als unsere Sonne, hat ein Alter von 35
Millionen Jahren und bewegt sich in den intergalaktischen Raum mit einer
Geschwindigkeit von 2,6 Millionen Kilometern pro Stunde. Zudem gelang es den
Wissenschaftlern die relative Häufigkeit verschiedener Elemente des rasenden
Sterns zu bestimmen und so seine wahrscheinliche Herkunft zu ermitteln.
"Wir können ausschließen, dass der Stern aus der Milchstraße kommt", fasst
Bonanos die Resultate zusammen. "Die Konzentration der Elemente in der Großen
Magellanschen Wolke ist etwa nur halb so groß wie die in der Milchstraße. Wie am
Tatort eines Verbrechens deutet alles drauf hin, dass der Stern aus der Großen
Magellanschen Wolke stammt."
Die schon von den Entdeckern festgestellte - und jetzt erneut bestätigte -
Rotation des Sterns deutet darauf hin, dass er ursprünglich Teil eines
Doppelsternsystems war, das zu dicht an einem Schwarzen Loch vorübergeflogen
ist. Während ein Stern im Schwarzen Loch verschwand, wurde der Partner mit hoher
Geschwindigkeit ins All geschleudert. Andere Astronomen haben inzwischen die
dafür notwendige Masse des Schwarzen Lochs ermittelt: etwa die 1.000-fache Masse
der Sonne.
"Das ist der erste Beweis aus Beobachtungen, dass es ein massereiches
Schwarzes Loch in den Großen Magellanschen Wolken gibt", so Bonanos. "Wir freuen
uns schon darauf, herauszufinden, wo es wohl sein mag."
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