Ein ungewöhnliches stellares Quartett
von Stefan Deiters astronews.com
15. Januar 2008
Mithilfe von Teleskopen auf dem Mauna Kea auf Hawaii haben
Astronomen ein äußerst ungewöhnliches Vierfach-Sternsystem aufgespürt: Die vier
Sonnen liegen so eng beieinander, dass sie in unserem Sonnensystem alle
innerhalb des Orbits von Jupiter Platz finden würden. Jetzt rätseln die
Wissenschaftler, wie ein solch eigentümliches System überhaupt entstehen konnte.
So könnte das Vierfach-Sternsystem BD 22°5866'' aussehen.
Bild: K. Teramura,
University of Hawaii / Institute for Astronomy
|
Es gibt manche ungewöhnliche Objekte im Universum. Und dazu gehört
nach Ansicht der Astronomen auch das System mit Namen BD 22°5866''. Von der
Entdeckung dieses engen Vierfach-Sternsystems hatte Evgenya Shkolnik von der
University of Hawaii in der vergangenen Woche auf der Wintertagung der
amerikanischen astronomischen Gesellschaft in Texas berichtet. Die Astronomin
hatte zusammen mit ihren Kollegen einige Hundert nahegelegene, massearme Sterne
beobachtet. Ein Objekt jedoch schien etwas Besonderes zu sein. Selbst durch die
stärksten Teleskope ist es nicht mehr als ein einziger Fleck, doch das Spektrum
des Systems verrät, dass sich hinter diesem Lichtfleck nicht ein, sondern vier
Sterne verbergen.
Die Analysen der Wissenschaftler ergaben, dass es sich bei BD 22°5866'' um
zwei Sternenpaare handelt, die sich auf äußerst engem Raum umrunden. Das erste
Paar umrundet sich alle fünf Tage und ist 0,06 Astronomische Einheiten, also nur
sechs Prozent der Entfernung der Erde von der Sonne, voneinander entfernt. Das
zweite Paar ist 0,26 Astronomische Einheiten voneinander entfernt und benötigt
für einen Orbit weniger als 55 Tage. Die beiden Paare wiederum sind 5,8
Astronomische Einheiten voneinander entfernt, was in etwa der Entfernung des
Jupiter von der Sonne entspricht. Sie umrunden sich in knapp neun Jahren. Die
Forscher schätzen, dass solche engen Sternsysteme nur in einem von 2.000 Fällen
vorkommen.
"Die äußerst enge Konfiguration in diesem Sternensystem verrät uns, dass es
hier einmal eine einzige Gasscheibe gegeben haben könnte, durch die die Sterne
innerhalb der ersten 100.000 Jahre nach ihrer Entstehung in solch enge Bahnen
gezwungen wurden", erklärt Shkolnik. "Die Sterne können nämlich nicht in diesem
geringen Abstand voneinander entstanden sein. Es wäre der erste Beweis für eine
Gasscheibe, die gleich vier Sterne umgibt. Wirklich bemerkenswert ist, was uns
alles das Spektrum eines Sterns über Sterne und ihre Vergangenheit verraten
kann."
Die Beobachtungen wurden mit Keck I-Teleskop sowie mit dem
Canada-France-Hawaii-Teleskop auf dem Gipfel des Mauna Kea auf Hawaii
gemacht. Beide Teleskope verfügen über einen leistungsfähigen Spektrographen. BD
22°5866'' ist 166 Lichtjahre (oder 51 Parsec) von der Erde entfernt und liegt
südlich des Sternbilds Wassermann. Das Vierfach-System ist mit bloßem Auge
nicht zu sehen. Da die Astronomen davon ausgehen, dass die meisten Sterne als
Doppel- oder gar Mehrfachsysteme geboren werden, bietet BD 22°5866'' den
Forschern eine einmalige Gelegenheit, mehr über die vielen Varianten zu
erfahren, in denen Sterne entstehen können.
|