Kosmischer Vogel mit Überraschung
von Stefan Deiters astronews.com
24. Dezember 2007
Lange Zeit hielten Astronomen das Objekt IRAS 19115-2124 für
zwei kollidierende Galaxien und gaben dem Paar wegen des eigentümlichen
Erscheinungsbildes den Spitznamen The Bird. Neue Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte
(ESO) brachten nun Überraschendes ans Licht: Der Vogel besteht nicht aus zwei,
sondern aus drei Galaxien.
Das Bild von IRAS 19115-2124 entstand mit
Datenmaterial von Beobachtungen mit dem Very
Large Telescope sowie aus Archivdaten des
Weltraumteleskops Hubble.
Bild: ESO
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IRAS 19115-2124 oder auch ESO 593-IG 08 galt unter Astronomen
lange Zeit als Beispiel für zwei wechselwirkende Galaxien. Das Paar in rund 650
Millionen Lichtjahren Entfernung erinnert ein wenig an einen Vogel und erhielt
deswegen von den Forschern den Spitznamen "The Bird" - der Vogel. Nun haben
Astronomen das vermeintliche Galaxienpaar mit Hilfe des Instruments NACO
untersucht, das am
Very Large Telescope der ESO
auf dem Gipfel des Paranal montiert ist. NACO beobachtet im Infraroten und kann so
quasi durch die Staubwolken des Systems
hindurchschauen. Der Blick offenbarte Überraschendes: Die Daten bestätigten nicht nur
eindrucksvoll die Existenz der zwei bisher bekannten Galaxien, eine irreguläre
Galaxie und eine Balken-Spiralgalaxie, sondern zeigten auch noch eine dritte
irreguläre Galaxie. Diese ist ähnlich massereich wie die beiden anderen Galaxien und
produziert gerade mit einer hohen Rate Sterne.
"Kollisionen von drei Galaxien mit in etwa der gleichen Größe sind äußerst
selten", erläutert Petri Väisänen, Hauptautor eines Fachbeitrags über die
Beobachtungen, der in der britischen Zeitschrift Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erscheinen soll. "Nur durch unsere Beobachtungen im nahen
Infrarot am VLT konnten wir erkennen, dass an dieser Galaxienkollision
tatsächlich drei Galaxien beteiligt sind."
Bei der neu identifizierten Galaxie handelt es sich quasi um den Kopf des
Vogels, während Herz und Körper von den beiden anderen schon länger bekannten Galaxien gebildet werden.
Bei den Flügeln handelt es sich um ausgeprägte sogenannte Gezeitenarme, die mehr
als 100.000 Lichtjahre lang sind. Sie entstehen, wenn durch die dichten
Begegnungen der Galaxien Gas und Sterne aus den Systemen herausgerissen werden.
Weitere Beobachtungen mit dem neuen South African Large Telescope sowie die
Auswertung von archivierten Daten des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer
bestätigten dann, dass es tatsächlich drei Komponenten in dem System gibt. Sie
brachten allerdings auch neue Überraschungen: Der Kopf und große Teile des
Körpers des "Vogels" entfernen sich mit einer Geschwindigkeit von 1,4 Millionen Kilometern
pro Stunde voneinander - was eine sehr hohe Geschwindigkeit für kollidierende
Galaxien ist. Zudem scheint der Kopf auch eine bedeutende Infrarotquelle des
Systems zu sein, obwohl die Galaxie die kleinste der drei Galaxien ist.
"Es sieht ganz danach aus, als hätten wir hier den Moment erwischt, in dem die
Kopf-Galaxie zum ersten Mal mit hoher Geschwindigkeit an dem System aus den zwei
anderen Galaxien vorüberfliegt", erläutert Seppo Mattila, der auch zum
Entdeckerteam gehört. "Die beiden anderen Galaxien sind wohl schon früher
zusammengekommen, vielleicht vor einigen Hundert Millionen Jahren."
Im Kopf des Vogels entstehen mit hoher Rate Sterne, während es in den beiden
anderen Galaxien vergleichsweise ruhig zugeht. Die Galaxiengruppe gehört zur
Familie der hellen Infrarot-Galaxien. Man glaubt, dass solche Galaxien gerade in
einer prägenden Phase ihrer Entwicklung sind, wie etwa einer Verschmelzung
mit anderen Galaxien. Dadurch kommt es dann zu einem Ausbruch an
Sternentstehung. Am Ende könnte eine einzige elliptische Galaxie zurückbleiben.
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