Bausteine der großen Galaxien entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
29. November 2007
Wenn man mit einem leistungsstarken Teleskop lange Zeit
immer wieder die gleiche Stelle am Himmel betrachtet, kann man - wenn man etwas
Glück hat - Überraschendes entdecken. Dies gelang jetzt ESO-Astronomen, die mit
dem Very Large Telescope lichtschwache und junge Galaxien aufspürten,
nach denen die Wissenschaft viele Jahre lang gefahndet hatte.
Ausschnitt aus dem Spektrum, in dem die Galaxien
entdeckt wurden.
Bild: ESO |
"Das ist das erste Mal, dass der Himmel mit dieser Tiefe abgesucht
wurde und die detaillierten Daten, die das Very Lagrge Telescope (VLT)
geliefert hat, waren sehr wichtig für den Erfolg", so Martin Haehnelt von der
University of Cambridge, der zusammen mit Kollegen das Projekt
durchführte. Die Forscher berichten in einer kommenden Ausgabe der
Fachzeitschrift Astrophysical Journal über ihre Resultate.
Die Existenz der Galaxien, die die Astronomen nun aufgespürt haben, wurde
schon seit Jahrzehnten vermutet, stellen sie doch einen wichtigen Baustein in
der Theorie über die Entwicklung von Galaxie dar. Danach bilden sich große
Galaxien wie etwa unsere Milchstraße durch die Verschmelzung von vielen
kleineren Protogalaxien, die es im jungen Universum gegeben haben muss.
Dummerweise erwiesen sich diese Objekte aber als so lichtschwach, dass man kaum
sicher sein konnte, dass sie überhaupt existieren. Da sie aber Teile des Lichts
von noch weiter entfernten Objekten blockierten, glaubte man trotzdem, dass es
sie geben muss.
"Frühere Versuche, diese Galaxien zu entdecken, waren relativ frustrierend,
weil es sehr schwer ist, so extrem lichtschwache Objekte aufzuspüren", erklärt
Teammitglied George Becker von den Observatories of the Carnegie Institution.
"Die Zeit, die man auch mit einem 8-Meter Instrument wie dem Very Large
Telescope dafür benötigt, übersteigt die Beobachtungszeit, die man
normalerweise bewilligt bekommt deutlich. Wir haben daher Perioden mit etwas
schlechterem Wetter genutzt, um mit dem FORS2-Spektrographen am VLT im
Servicemodus zu beobachten."
Im Servicemodus werden die Beobachtungen von Astronomen der ESO in Chile
durchgeführt und nicht von den Wissenschaftlern, die das Projekt beantragt
haben. Die ESO-Mitarbeiter berücksichtigen dabei natürlich die besonderen
Erfordernisse des jeweiligen Projektes.
Der jetzt gemeldete Fund war ein Glücksfall für die Astronomen, die
eigentlich nach etwas ganz anderem gesucht hatten: "Eigentlich haben wir nach
schwachen Signalen von intergalaktischem Gas gefahndet, die auf die kosmische
ultraviolette Hintergrundstrahlung zurückzuführen sind", erläutert Michael
Rauch, ein weiteres Teammitglied von den Observatories of the Carnegie
Institution. "Aber wie so oft in der Wissenschaft, gab es eine Überraschung
und wir entdeckten etwas, nach dem wir gar nicht gesucht hatten: Dutzende von
leuchtschwachen Objekten."
Für dieses Resultat hatte das VLT zwischen 2004 und 2006 insgesamt 92 Stunden
einen kleinen Bereich am Himmel beobachtet und so Spektren aus einer Zeit
gewonnen, zu der unser Universum lediglich zwei Milliarden Jahre alt war.
Insgesamt entdeckten die Astronomen in den Daten 27 Objekte, in denen offenbar
nur sehr wenig Sterne entstehen und die kaum über schwerere Elemente verfügen.
All das deutet darauf hin, dass sich diese Objekte tatsächlich in einer sehr
frühen Phase der Entwicklung befinden.
"Die Eigenschaften der Objekte stimmt erstaunlich gut mit denen der
sogenannten Damped Lyman Alpha Systeme überein, dem hauptsächlichen
Reservoir von neutralem Wasserstoff im entfernten Universum", erklärt Andy
Bunker vom Anglo-Australien Observatory, der auch zum Team gehörte. Als
Damped Lyman Alpha Systeme bezeichnen Astronomen Objekte, die sich nur
dadurch verraten, dass sie bestimmte Teile des Lichts eines noch weiter
entfernten Objektes verschlucken.
Durch den jetzigen Fund könnte es also gelungen sein, einen Blick
auf die Objekte zu werfen, die für das Verschlucken von Teilen der Strahlung
verantwortlich sind. "Die Ergebnisse bestätigen theoretische Modelle, dass
Galaxien wie unsere Milchstraße aus der Verschmelzung von kleinen Protogalaxien
entstanden sind", so Bunker weiter. "Was die Entdeckung so faszinierend macht",
ergänzt Haehnelt, "ist die Tatsache, dass wir jetzt in der Lage sein könnten,
eine große Anzahl dieser Bausteine der normalen Galaxien zu entdecken und damit
im Detail zu studieren, wie etwa unsere Milchstraße entstanden ist."
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