Buntbarsche im Weltall
Redaktion /
idw / Pressemitteilung der Universität Hohenheim astronews.com
7. September 2007
Hohenheimer Buntbarsche werden in Kürze ins All aufbrechen:
Im Rahmen der russischen Foton-M3-Mission sollen 30 Buntbarsch-Larven
zwei Wochen lang um die Erde kreisen. Die Zoologen der Universität Hohenheim
erhoffen sich neue Erkenntnisse über den Gleichgewichtssinn und wichtige Daten
zur Therapie von Reise- und Weltraumkrankheit.
Sollen ins All für die Forschung: Buntbarsche
der Universität Hohenheim.
Foto:
Universität Hohenheim / idw |
Für Touristen ist ein Weltraumflug noch immer eine teure und komplizierte Angelegenheit. 30 Buntbarsch-Larven der Universität Hohenheim erhalten
aber Mitte September die einmalige Gelegenheit, unsere Erde von oben zu betrachten. Der Weltraumflug, initiiert von den Wissenschaftlern um Prof. Dr. Reinhard Hilbig und Privatdozent Dr. Ralf Anken vom Zoologischen Institut der Universität Hohenheim, soll neue Aufschlüsse über Gleichgewichtsstörungen von der Reise- bis zur Weltraumkrankheit liefern.
Und so wird der russische Weltraumbahnhof Baikonur am 14. September 2007 zum Sammelpunkt für Wissenschaftler aus den Bereichen Biologie und Physik, denn der Satellit
Foton-M3, der für ungefähr zwei Wochen ins All fliegen wird, ist neben den Fischen von der Universität Hohenheim noch Träger weiterer Experimente.
Die Hohenheimer Zoologen haben schon Erfahrungen mit Experimenten im All, wenn
auch keine guten: Am 1. Februar 2003 verglühte nämlich mit der Raumfähre Columbia auch ein Experiment der Universität Hohenheim. Anken und
Hilbig wollten an 50 Fischen die Entwicklung der Gleichgewichtsorgane in der
Schwerelosigkeit untersuchen. Nach diesem Misserfolg haben die Forscher eine
Vielzahl gravitationsbiologischer Experimente (etwa während eines Parabelflugs) durchgeführt und beantragten auf der Grundlage vertiefter Erkenntnisse, den Raumflug zu wiederholen.
In diesem September ist es soweit und es heißt für 30 Buntbarsch-Larven: Auf ins All! Als Lebenserhaltungssystem haben die Wissenschaftler gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Ökophysiologie der Pflanzen in Erlangen sowie der Firma Kayser-Threde in München ein neues aquatisches Lebenserhaltungssystem,
also ein Spezialaquarium entwickelt. Darin befinden sich neben den Fischen noch Algen, die den lebensnotwendigen Sauerstoff für die Fische produzieren sollen.
Ziel der Forschung sind neue Erkenntnisse, die unter anderem das Phänomen von Gleichgewichtsstörungen einer Klärung näher bringen sollen. Damit ließen sich möglicherweise Therapiemöglichkeiten für bisher weitgehend unerklärbare Krankheiten wie dem Menière'schen Syndrom liefern, von dem laut Schätzungen mehr als ein Prozent der Menschen betroffen sind. Bei dieser Krankheit leiden die Patienten unter schlagartig auftretendem Schwindel und Orientierungslosigkeit. Verantwortlich dafür sind vermutlich winzige Steinchen im Innenohr, die sogenannten Otolithen.
"Für unsere Grundlagenforschung am Innenohr führen wir die Untersuchungen allerdings an Fischen durch", erklärt Hilbig.
"Grund dafür ist, dass der Bereich im Ohr, der für die Schwerkraftwahrnehmung verantwortlich ist, bei Fischen genau wie beim Menschen funktioniert
- nur dass Ohrsteinchen beim Fisch wesentlich größer sind, da er sich unter Wasser orientieren muss".
Im Weltraum-Experiment wollen die Forscher nun klären, welche Prozesse für die Entwicklung der Otolithen zuständig sein könnten:
"Wir nehmen an, dass sich die Steine in der Schwerelosigkeit unkontrolliert vergrößern und asymmetrisch wachsen und wenn wir nachweisen könnten, dass das Gehirn diesen Wachstumsprozess steuert, wäre dies der Ansatz für ganz neue Therapiemöglichkeiten",
ergänzt Anken.
Anken hat den Weltraumflug bereits im Jahr 1998 beantragt und so sind nun nach der langen Vorbereitungs- und Wartezeit sowie dem
Columbia-Absturz die Erwartungen an diesen Flug ins All besonders hoch. Am 8. September machen sich die Wissenschaftler in Richtung Baikonur
auf, um - nach diversen Sicherheitskontrollen und einem Umweg über Holland -
ihre Fische pünktlich am 14. September 2007 am Weltraumbahnhof verabschieden zu können.
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