Flüssigkeiten in Schwerelosigkeit
Redaktion / Pressemitteilung der Universität Bremen astronews.com
24. Juli 2007
Neun Sekunden Schwerelosigkeit bietet der Bremer Fallturm
den Experimentatoren, wenn sie das neue Katapultsystem einsetzten, durch das
quasi ein Parabelflug im Fallturm möglich wird. Diese erweiterten Möglichkeiten
nutzten jetzt Bremer Wissenschaftler für Experimente, die die Handhabung
von Flüssigkeiten in Schwerelosigkeit verbessern helfen sollen.

Ansicht des
Kapillarkanals von der Seite. Die Flüssigkeit strömt von rechts nach links:
Oben eine Aufnahme bei einer unkritischen Strömungsgeschwindigkeit mit stabiler Oberfläche,
unten ein Bild bei zu hoher oder
"überkritischer" Strömungsgeschwindigkeit und
dem damit verbundenen Kollaps der freien
Oberfläche mit Gaseinbruch am Kanalauslass.
Fotos:
Universität Bremen / ZARM
 |
Eine technisch elegante und auch kostengünstige Lösung zur Handhabung von
Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit sind so genannten Kapillarkanäle. Dabei handelt es sich um seitlich offene Leitungen, in denen Flüssigkeit strömt. Bei dem untersuchten Kapillarkanal handelt es sich um einen rechteckigen Kanal, der an drei Seiten geschlossen und an einer Seite offen ist, eine so genannte Nut. Die strömende Flüssigkeit wird durch ihre Oberflächenspannung und die guten Benetzungseigenschaften der Flüssigkeit zum Wandmaterial in der Nut gehalten.
Welche Kräfte dabei wirksam sind und wie sie interagieren, kann seit einigen Jahren mit den Gleichungen der Strömungsmechanik mathematisch modelliert werden. Diese Modellierung muss allerdings durch Experimente immer wieder überprüft werden.
Diesem Ziel diente auch das Katapult-Experiment der Forscher des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM)
der Universität Bremen, das an einer Nut mit einer Breite von fünf Millimeter, einer Tiefe von 30 Millimeter und einer Länge von elf Millimeter durchgeführt wurde. Eine Hochgeschwindigkeits-Kamera filmte das Experiment während des Katapultschusses. Diese Daten können dann mit Hilfe einer optischen Bildauswertung analysiert und mit dem mathematischen Modell verglichen werden.
Als Flüssigkeit verwendeten die Wissenschaftler ein sehr dünnflüssiges Fluid, dessen Stoffeigenschaften wie Zähigkeit, Dichte und Oberflächenspannung in Kombination mit der Geometrie des Testkanals realen Treibstoffen sehr ähnlich sind. Die Ergebnisse können somit vom Modell auf ein Raumfahrzeug übertragen werden.
Mit ihrem Experiment konnten die Bremer Forscher jetzt sehr präzise
ermitteln, bei welcher Geschwindigkeit die Strömung abreißt und warum das
geschieht. Im Kapillarkanal breiten sich nämlich in Längsrichtung Kapillarwellen
aus. Sobald die Strömung genauso schnell wird wie diese Wellen, reißt sie ab -
ein Phänomen, das "Choking-Effekt" genannt wird.
Die neuen Ergebnisse tragen grundlegend dazu bei, bisher kaum verstandene Vorgänge in Kapillarkanälen zu erklären. Weiterhin dienen die Experimente der Vorbereitung eines Raumstationsexperimentes (CCF), welches im Jahr 2009 in Kooperation mit der NASA in der
Microgravity Science Glovebox betrieben werden soll. Die Forschungsarbeit des ZARM wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert.
|