Blick durch den Big Bounce
von Stefan Deiters astronews.com
4. Juli 2007
War der Urknall wirklich der Anfang von allem oder nur eine
Art Übergang von einem Universum zum nächsten? Physiker der amerikanischen Penn State
University sind schon seit einiger Zeit überzeugt, dass unser Universum einen
Vorgänger hatte. Mit Hilfe eines neuen mathematischen Modells wollen sie nun
sogar in dieses Vorgänger-Weltall zurückblicken. Erschwert wird dies allerdings
durch die sogenannte Quantenunschärfe.

Alles schon einmal dagewesen? Amerikanische Physiker glauben,
dass es keinen Urknall, sondern einen Big Bounce gab und davor ein
komplettes Universum.
Bild:
STScI / NASA |
"Meine Arbeit führt ein neues mathematisches Modell ein, mit
dessen Hilfe man Eigenschaften eines Quantenzustands beschreiben kann, während er
einen Big Bounce durchläuft", erläutert Martin Bojowald,
Assistenzprofessor für Physik an der amerikanischen Penn State University. Der sogenannte
"Big Bounce", was übersetzt etwa "Große Abstoßung" bedeutet, ersetzt in
Bojowalds Modell den klassischen Urknall oder Big Bang. Konkret
bedeutet dies, dass es vor unserem Universum bereits ein anderes Universum
gegeben hat, das dann aber immer weiter geschrumpft ist, um sich dann als unser
Universum wieder auszudehnen. Mit Hilfe von Bojowalds Theorie kann man dabei
einiges über die Eigenschaften des Vorgängeruniversums lernen - allerdings nicht
alles: Durch die extremen Kräfte, die während des Big Bounce wirken, würde es
nämlich zu einer Art "kosmischen Vergesslichkeit" kommen.
Das Urknall-Modell, nach dem unser Universum vor mehr als 13 Milliarden
Jahren aus einer Singularität entstand und sich seitdem immer weiter ausdehnt,
gilt seit langem als das beste kosmologische Modell, um die beobachteten Daten zu beschreiben.
Allerdings hat es ein gravierendes Problem: Nach Einsteins allgemeiner
Relativitätstheorie ist unser Universum aus etwas entstanden, was mathematisch
wenig Sinn ergibt: Aus einem Punkt mit keinerlei Ausdehnung, aber unendlich großer
Masse und Energie.
Die Physiker um Bojowald sind mit ihren Forschungen dabei, ein Gebiet
zu betreten, das selbst Einstein unbekannt war: die Zeit vor dem Urknall. Sie
nutzen dafür die neue Theorie der Schleifen-Quantengravitation, mit deren Hilfe
Einsteins Relativitätstheorie mit Gleichungen der Quantenphysik kombiniert
wird. Mit diesem Modell ist es möglich, die
Existenz eines Big Bounce mathematisch zu beschreiben und auch
Eigenschaften des Vorgänger-Universums zu berechnen. Für die Wissenschaftler
eröffnet sich damit eine Spalte in der bislang undurchdringlichen Barriere, die
der Urknall bis heute darstellte.
"In Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie fehlt die Quantenphysik, die man
aber benötigt, um Zustände extrem hoher Energien zu beschreiben, wie es sie in
der Anfangsphase unseres Universums gab", erklärt Bojowald. "aber jetzt haben
wir die Schleifen-Quantengravitation, eine Theorie, die die nötige Quantenphysik
enthält." Die Schleifen-Quantengravitation wurde an der Penn State University
entwickelt und gilt manchen heute als vielversprechendster Weg einer
vereinheitlichten Theorie aus allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenphysik
(astronews.com berichtete).
Als die Wissenschaftler nun mit diesem Modell die Geschichte unseres Universums
zurückverfolgten, stellten sie fest, dass unser Universum aus einem Punkt
geboren wurde, der eine gewissen Ausdehnung hat (also nicht Null ist) und
auch eine maximale Energie (die also nicht unendlich ist). Deswegen liefern die
Gleichungen auch vor dem "Urknall" brauchbare Ergebnisse und bieten den
Forschern eine Blick in die "Zeit davor".
Lesen Sie im zweiten Teil:
Quantenunschärfe und "kosmische Vergesslichkeit"
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