Exotische Welt aus heißem Eis
von Stefan Deiters astronews.com
18. Mai 2007
Ein Team von Astronomen hat am François-Xavier Bagnoud Observatorium in den Schweizer Alpen den Transit
eines Neptun-großen Planeten beobachtet. Es ist
der bislang kleinste extrasolare Transitplanet. Mit
Hilfe der Beobachtungen konnten die Astronomen zudem Rückschlüsse auf die innere Struktur
des Planeten ziehen: Sie vermuten, dass er überwiegend aus exotischem heißen Eis
besteht.
Dank des beobachteten Transits konnten die
Astronomen den Durchmesser des Planeten
bestimmen und so Rückschlüsse auf seine
Struktur ziehen.
Bild: NASA,
ESA und G. Bacon |
Der Planet um den Roten Zwerg GJ 436 ist bereits seit 2004 bekannt
und wurde zunächst mit der Radialgeschwindigkeitsmethode nachgewiesen, die nach
dem "Wackeln" eines Sterns fahndet, dessen Ursache ein umlaufender Planeten
ist. Mit dieser Methode wurden zwar in den vergangenen Jahren zahlreiche
extrasolare Planeten aufgespürt, wie diese Welten aber aussehen, darüber konnten
die Astronomen bislang nur spekulieren. So wussten die Wissenschaftler
auch über den 30 Lichtjahre entfernten Planeten um GJ 436 nicht mehr, als seine
ungefähre Masse und dass er seine Sonne in einer Entfernung von etwa vier
Millionen Kilometern umrundet.
Im April gelang dann aber eine entscheidende Beobachtung, die mehr über den
Planeten GJ 436 b verraten hat, als über so manchen anderen extrasolaren Planeten
bekannt ist: Astronomen am
François-Xavier Bagnoud-Observatorium in den Schweizer
Alpen registrierten einen Transit des Planeten, also eine fast unmerkliche
Verdunklung des Sterns, als der Planet - von der Erde aus gesehen - vor ihm
vorüberzog. Damit ist GJ 436 b der bislang masserärmste Planet, für den ein
solcher Durchgang beobachtet wurde.
Dank der Transitbeobachtungen konnten die Astronomen den Durchmesser des
fernen Planeten bestimmen: 50.000 Kilometer - etwa das Vierfache des Radius der
Erde. Der Planet hat eine Masse von etwa 22 Erdmassen, weshalb die Wissenschaftler vermuten, dass GJ 436 b hauptsächlich aus einer
exotischen Form von Wasser besteht. Bestünde er nämlich wie Jupiter
und Saturn im Wesentlichen aus Wasserstoff, müsste er deutlich größer sein,
würde es sich um eine "Super-Erde" handeln, wäre er deutlich
kleiner.
"Das ist ein wichtiger Schritt, auf dem Weg hin zur Entdeckung und
Charakterisierung von erdähnlichen Planeten", meint Michaël Gillon von den
Universitäten in Lüttich und in Genf, der das Astronomenteam leitete. "Der Fund
ist umso außergewöhnlicher, da das Observatorium, mit dem der Transit beobachtet
wurde, eher populärwissenschaftliche
Ziele verfolgt," so Brice-Olivier Demory von Observatorium in Genf, der dem
wissenschaftlichen Komitee des François-Xavier Bagnoud-Observatoriums
angehört.
Der neu entdeckte Planet könnte, so die Vermutung der Astronomen, eine
Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium besitzen und einen felsigen Kern, der in
etwa die Größe der Erde haben dürfte. Wegen der großen Nähe des Planeten zu seinem
Zentralstern - GJ 436 b ist seiner Sonne 13-mal näher als unser sonnennächster
Planet Merkur - dürften
auf der fernen Welt Temperaturen von über 300 Grad Celsius herrschen. Eventuell
in der Atmosphäre vorhandenes Wasser könnte also nur in Dampfform existieren.
Der überwiegende Anteil des Planeten aber dürfte aus einer exotischen Form
von Wasser bestehen, einer Art heißem Eis. "Neben dem klassischen Eis, das wir
alle kennen, hat Wasser mehrere feste Zustände", erläutert Frédéric Pont vom
Observatorium in Genf. "Unter sehr hohem Druck verwandelt es sich zuerst in
Flüssigkeit und dann in andere feste Zustände, die dichter als Wasser und Eis
sind, genauso wie sich Kohlenstoff unter Druck in Diamant verwandelt. Wenn
unsere Meere sehr viel tiefer wären, würden sich diese exotischen Eisformen auch
auf dem Meeresgrund bilden."
GJ 436 b ist somit einer der wenigen extrasolaren Planeten, über die man
etwas mehr weiß als nur ihre ungefähre Masse und den ungefähren Orbit. Die
Tatsache, dass eine - wenn auch exotische - Eiswelt in so großer Nähe eines
Sterns existieren kann, gibt Anlass zur Hoffnung, dass sich in anderen Systemen
solche Welten in günstigerem Abstand zu ihrer Sonne befinden und somit wahre
"Ozean-Welten" sind, auf denen man sich auch Leben vorstellen könnte. Für die
Existenz von Leben ist GJ 436 b nämlich kein wirklich vielversprechender
Kandidat.
Allerdings sind nicht alle Wissenschaftler mit den Schlussfolgerungen der
Astronomen aus Genf und Lüttich einverstanden: Das sei schon eine begeisternde
Entdeckung, zitiert etwa das britische Wissenschaftsmagazin New Scientist
die Exoplaneten-Forscherin Sara Seager vom Massachusetts Institute of
Technology im amerikanischen Cambridge. Es sei immerhin erstmals der
Transit eines Planeten beobachtet worden, der kleiner ist als ein Gasriese.
Damit würde eine neue Phase in der Erforschung extrasolarer Planeten beginnen.
Doch die Struktur der fernen Welt hält die Forscherin für noch nicht
abschließend geklärt: Zwar sei es möglich, dass GJ 436 b hauptsächlich aus Eis
besteht, aber man könne sich auch noch andere Möglichkeiten vorstellen, wie etwa
eine erdähnliche Welt mit einer sehr massereichen Atmosphäre, die gut zu den
Daten passen würden.
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Ferne Welten - die astronews.com-Berichterstattung über die Suche nach
fernen Planeten
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