Galaxien im Computer nachbauen
Redaktion / Universität Wien
astronews.com
30. März 2007
Galaxien sind ungeheuer komplexe Systeme. Versucht man sie
zu simulieren, kann man sich - mangels ausreichender Computerleistung - in der
Regel nur auf Teilaspekte ihrer Entwicklung konzentrieren. Mit Hilfe von
Supercomputern wollen Astrophysiker aus Wien dies nun ändern und schlagen dazu
auch den Aufbau eines eigenen österreichischen Höchstleistungsrechenzentrums
vor.
VLT-Bild der Galaxie M83: "unvorstellbar großes Gebilde".
Foto:
ESO
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Das Universum ist in Bewegung: Nicht nur, dass es sich immer weiter ausdehnt,
auch neue Strukturen wie Sterne und Galaxien entstehen dabei. Das Leben dieser
Galaxien ist Gegenstand des Forschungsprojekts "Computational Astrophysics"
des Astrophysikers Gerhard Hensler. Im Rahmen des Universitären
Forschungsschwerpunkts "Rechnergestützte Wissenschaften" an der Universität Wien
arbeitet das Team um Hensler dabei allerdings nicht mit Teleskopen,
sondern mit Rechnerclustern, die über ganz Europa verteilt sind und deren
Kapazität größer ist als die aller Rechner Österreichs zusammengenommen.
Die Dimensionen der Objekte - Sterne und Galaxien -, die der Vorstand des
Instituts für Astronomie und Leiter des Projekts "Computational Astrophysics",
Gerhard Hensler, erforscht, sind für das normale menschliche
Vorstellungsvermögen schwer fassbar. Allein die Milchstraße, die "Heimatgalaxie"
unseres Planetensystems, misst im Durchmesser rund 100.000 Lichtjahre und
beherbergt 100 Milliarden Sterne und wahrscheinlich Millionen Planetensysteme
wie das unsere. "Galaxien sind unvorstellbar große Gebilde, die einen
permanenten Veränderungsprozess durchlaufen. Die einzige Möglichkeit, sie zu
beschreiben, ist die Simulierung bzw. Modellierung am Computer. Und diese wollen
wir im Zuge des Projekts optimieren", erklärt Hensler.
Als Ausgangspunkt dienen Objekte im All, die nur durch Teleskope betrachtet
werden können. Und genau jene Beobachtungen werden am Computer "nachgebaut", um
beides, Realität und Modell, miteinander zu vergleichen - aber auch, um
Vergangenheit und Zukunft, sprich Geburt und Tod von Sternensystemen zu
simulieren. "Das sind unglaublich komplexe und langwierige Vorgänge. Zuerst
müssen wir die Galaxienbedingungen für den Computer vorbereiten. Dazu zerteilen
wir sie in Millionen von Gebieten, dann geben wir die sie beeinflussenden
inneren und äußeren Kräfte und Prozesse ein, wie etwa Gravitation, Abkühlung,
Erwärmung oder Gaszusammensetzung. Nun wird jeder Bereich für einen begrenzten
Zeitschritt an einem einzelnen Prozessor des Computers durchgerechnet und danach
mit allen anderen verbunden. Dadurch werden die globalen Einflüsse der Bereiche
ermittelt, bevor alles wieder parallel auf die Prozessoren verteilt wird. Der
jeweilige Status des Modells ist während des Rechenvorgangs jederzeit abrufbar.
Am Schluss steht das fertige Modell einer Galaxieentwicklung", so Hensler.
Bis dato gibt es allerdings kein einziges Programm, mit dem es möglich ist,
Objekte im All in all ihren Facetten zu berechnen. "Es gibt viele Programme,
die ganz unterschiedliche Gesichtspunkte behandeln. So kann etwa mit einem
Programm Sternentstehung unter der Eigengravitation einer Gaswolke, mit einem
anderen etwa die Gaszusammensetzung und mit einem weiteren die Dynamik der
Galaxie berechnet werden. Diese Aufteilung kostet unglaublich viel Zeit, da wir
zuerst alle Details einzeln untersuchen müssen, um sie am Ende zusammenzufügen",
meint Hensler.
"Wir benötigen für unsere Forschungen unglaublich schnelle Computer mit enorm
hohen Kapazitäten", so Gerhard Hensler. Die Hauptmodellierungen müssen an
Hochleistungsrechenzentren - so genannten High-perfomance Computing (HPC)-Zentren
- erfolgen. Hensler wünscht sich, dass der Forschungsstandort Österreich
auch in diesem Bereich zukünftig eine größere Rolle spielt. Und dazu schwebt dem
Astrophysiker schon ein Konzept vor. Für ihn wäre der Idealfall die Errichtung
eines Österreich weiten Höchstleistungsrechenzentrums: "Daran könnten dann alle
Fachrichtungen wie Physik, Mathematik, Chemie, Klimaforschung oder Biologie
interdisziplinär teilhaben."
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