Auf der Spur der Pioneer-Anomalie
von Rainer Kayser
6. März 2007
Seit Jahren rätseln Astrophysiker darüber, warum die Sonden
Pioneer 10 und 11 ein klein wenig von der vorausberechneten
Flugroute abgewichen sind. Handelt es sich bei dieser Pioneer-Anomalie
schlicht um Messfehler oder ist sie ein erster Hinweis auf ein grundlegendes
Problem mit Gravitationsgesetz und Relativitätstheorie? Ein Gruppe von
Wissenschaftlern will nun innerhalb eines Jahres Klarheit schaffen.
Die Pioneer-Sonden wurden offenbar stärker von der Sonne
angezogen als vorherberechnet. Bild:
NASA |
Ein internationales Team von Astrophysikern und Programmierern hat sich zum Ziel
gesetzt, das Rätsel der so genannte Pioneer-Anomalie innerhalb eines Jahres zu
lösen. Dabei handelt es sich um mysteriöse Bahnabweichungen der beiden
Raumsonden Pioneer 10 und 11, die sich bislang nicht mit den bekannten Kräften
im Sonnensystem erklären lassen. Die Forscher wollen nun sämtliche von den
Sonden zur Erde übermittelte Daten einer Neuanalyse unterziehen, um der Ursache
des Phänomens auf die Spur zu kommen.
Pioneer 10 und 11, gestartet in den Jahren 1972 und 1973, waren die ersten
Raumsonden, die den Asteroidengürtel durchquert und die äußeren Planeten
erreicht haben. Der Kontakt zu Pioneer 11 riss 1995, zu Pioneer 10 im Jahr 2003
ab (astronews.com berichtete). Doch bis heute bereitet die Bahn der Sonden den Astrophysikern
Kopfzerbrechen. Die übermittelten Daten deuten nämlich darauf hin, dass die
Raumfahrzeuge ein winziges bisschen stärker von der Sonne angezogen worden sind
als vorausberechnet. Stimmt also etwas mit dem Gravitationsgesetz und damit
möglicherweise auch mit der Relativitätstheorie nicht?
Bislang lässt sich nicht restlos ausschließen, dass die Ursache trivialerer
Natur ist und keine Revision der Naturgesetze erfordert: Vielleicht die
Wärmeabstrahlung der Atombatterie an Bord der Sonde, vielleicht auch ein
übersehener Fehler bei der Datenübertragung. Die Analyse der Pioneer Explorer
Collaboration soll jetzt Klarheit bringen. Doch dazu sind zunächst eine ganze
Reihe von Hürden zu überwinden. Neue Programme müssen geschrieben werden, um die Telemetrie-Daten der Sonde auszuwerten. Immerhin 120 Sensoren lieferten ständig
Informationen über den inneren Zustand der Sonde. Auch die Analyse der Bahndaten
erweist sich als schwierig: Immer wieder wurden Computer und Empfangsantennen
gewechselt. Jede Datei muss deshalb individuell geprüft, analysiert und in ein
gemeinsames Format übertragen werden.
Im Juni hoffen die Forscher, alle Daten für die Analyse bereits zu haben.
Dann beginnt die Suche nach der Ursache. Deutet die zusätzliche Kraft auf die
Erde, so ist die Ursache mit größter Wahrscheinlichkeit technischer Natur. Weist
sie jedoch auf die Sonne, so könnte die Pioneer-Anomalie in der Tat ein erstes
Indiz für eine neue Physik jenseits der Relativitätstheorie liefern.
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