Neues von alten Pulsaren
Redaktion / MPG
astronews.com
27. Juli 2006
Pulsare, also rotierende Neutronensterne, gleichen
kosmischen Leuchtfeuern, die über komplexe Prozesse elektromagnetische Strahlung
erzeugen. Darüber, wie sie eigentlich genau funktionieren, rätseln Astronomen
seit der Entdeckung dieser Objekte vor fast 40 Jahren. Dank der hohen
Empfindlichkeit des europäischen Röntgenobservatoriums XMM-Newton könnten
Forscher nun zumindest eine Teilantwort gefunden haben.
Künstlerische Darstellung der im Röntgenlicht
leuchtenden Magnetosphäre eines Millionen Jahre alten Pulsars.
Der Neutronenstern selbst ist unsichtbar, da seine Oberfläche
nicht mehr genügend Hitze besitzt, um Röntgenstrahlung zu
emittieren. Oberhalb der beiden magnetischen Pole werden
elektrisch geladene Teilchen aus der Magnetosphäre nach außen
beschleunigt - und senden dabei intensive, stark gerichtete
Strahlung aus, die sich mit XMM-Newton beobachten lässt. Bild: Werner Becker / MPI für extraterrestrische Physik |
Neutronensterne entstehen mit Temperaturen von Billionen Grad während des
Gravitationskollapses massereicher Sterne, die ihren nuklearen Brennstoffvorrat
verbraucht haben und unter ihrer eigenen Last in sich zusammenstürzen. Nach
dieser spektakulären Geburt kühlen die heißen Sternleichen stetig ab. Das
geschieht während der ersten 100.000 Jahre im Wesentlichen durch die Emission von
Neutrinos, die den Neutronenstern ungehindert verlassen und dabei Energie
mitnehmen. Später überwiegt die Abkühlung durch Abstrahlung thermischer Photonen
von der heißen Sternoberfläche.
Beobachtungen mit früheren Röntgensatelliten haben gezeigt, dass die
Röntgenstrahlung der Neutronensterne aus drei verschiedenen Gebieten stammt: Zum
einen glüht die gesamte, Millionen Grad heiße Oberfläche; zweitens strahlen
elektrisch geladene Teilchen bei ihrer Bewegung entlang gekrümmter
Magnetfeldlinien beim Verlassen der Magnetosphäre sehr intensiv; zum Dritten
emittieren junge Pulsare häufig Röntgenstrahlung, die ihren Millionen Grad
heißen Polkappen entspringt.
Bisher haben die Astronomen angenommen, dass diese heißen Flecken ausschließlich
durch ein Bombardement hochenergetischer, geladener Teilchen entstehen, die aus
der Magnetosphäre zur Oberfläche zurückfliegen und die Polkappenbereiche
aufheizen. Beobachtungen mit XMM-Newton lassen an diesem Bild jedoch Zweifel
aufkommen. So erlaubte der Satellit erstmals detaillierte Untersuchungen an
bisher fünf, jeweils mehrere Millionen Jahre alten Pulsaren. "Kein anderes im
Orbit befindliches Röntgenobservatorium besitzt zurzeit die dafür notwendige
Empfindlichkeit", sagt Werner Becker, Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik in Garching und Privatdozent an der Universität
München.
Becker und seine Kollegen, unter anderem Axel Jessner vom Max-Planck Institut
für Radioastronomie in Bonn, fanden jetzt bei den Millionen Jahre alten Pulsaren
weder einen Hinweis auf Röntgenstrahlung von der gesamten
Neutronensternoberfläche, noch auf heiße Polkappen - obwohl die Forscher
intensive Röntgenstrahlung von geladenen Teilchen aus der Magnetosphäre
registrierten.
Das Fehlen der Röntgenstrahlung von der gesamten Sternoberfläche überraschte die
Wissenschaftler nicht: In den vielen Millionen Jahren seit der Entstehung dieser
Neutronensterne sind diese bereits so weit abgekühlt, dass ihre Temperatur weit
unterhalb von 500.000 Grad Celsius liegt und sich ihr Glühen daher nicht mehr im
Röntgenbereich beobachten lässt. Zum Erstaunen der Forscher gaben aber auch die
heißen Polkappen keine Röntgenstrahlung ab. Das zeigt, dass die Heizung der
Polkappen durch hochenergetische Teilchen bei alten Pulsaren nicht mehr
effizient genug funktioniert. "Im Fall des drei Millionen Jahre alten Pulsars
mit der Katalogbezeichnung PSR B1929+10, des Prototyps eines alten Pulsars, ist
jegliche thermische Komponente in der beobachteten Röntgenstrahlung kleiner als
sieben Prozent", sagt Becker.
Wie sich nun zeigt, ist die konventionelle Sichtweise für die Entstehung der
heißen Flecken bei jüngeren Pulsaren nicht die einzig mögliche. Eine alternative
Interpretation lautet, dass die im Neutronenstern gespeicherte Wärmeenergie
durch das starke Magnetfeld zu den Polen geleitet wird, die dadurch Temperaturen
von Millionen Grad besitzen. Das ist möglich, weil die Wärmeleitung in
Neutronensternen durch Elektronen geschieht. Da diese eine elektrische Ladung
tragen, ist ihre Bewegungsrichtung durch die Richtung des Magnetfelds
vorgegeben.
Entsprechend könnten die Millionen Grad heißen Flecken bei jüngeren Pulsaren im
Wesentlichen durch die Hitze aus dem Innern des Neutronensterns entstehen, und
nicht nur durch das Bombardement der zur Oberfläche zurückfliegenden
hochenergetischen Teilchen. Die heißen Flecken verschwinden dann mit dem
Abkühlen der Neutronensterne und sind entsprechend bei den Millionen Jahre alten
Pulsaren nicht mehr zu beobachten. "Die Gültigkeit dieser Sichtweise wird
zurzeit in der Fachwelt noch diskutiert, jedoch legen die neuen, mit XMM-Newton
durchgeführten Beobachtungen eine solche Interpretation sehr nahe", sagt Werner
Becker.
Die Pulsare wurden im Jahr 1967 von den beiden Astronomen Jocelyn Bell-Burnell
und Anthony Hewish an der englischen Universität Cambridge entdeckt. Hinter
diesen Objekten verbergen sich so genannte Neutronensterne: schnell rotierende
und stark magnetisierte Überreste kollabierter massereicher Sterne, die am Ende
ihres Lebens in einer Supernova-Explosion zugrunde gehen. Dabei erreichen die
Sternleichen eine so hohe Dichte - 1,4 Sonnenmassen konzentrieren sich in einem
Raumbereich von nur etwa 20 Kilometern Durchmesser -, dass Elektronen in die
Atomkerne dringen und dort zur Entstehung von Neutronen führen. In
Neutronensternen und deren Magnetosphären spielen sich sehr komplexe und bis
heute nur im Ansatz verstandene Prozesse ab.
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