Discovery auf dem Weg zur ISS
Redaktion / ESA
astronews.com
5. Juli 2006
Mit dem Start der amerikanischen Raumfähre Discovery
ist gestern Abend zum ersten Mal ein europäischer Astronaut zur ISS
aufgebrochen, der für einige Monate Mitglied der ständigen Bordmannschaft der
Raumstation werden soll. Die Astrolab getaufte Mission soll bis Ende des
Jahres dauern. Beim Start brachen wieder einige Teile der Isolierung ab, was die
NASA aber nach ersten Aussagen für unbedenklich hält.

Start der Discovery.
Foto: NASA / KSC |
Die Raumfähre Discovery hob gestern 20.38 Uhr MESZ vom Kennedy Space
Center der NASA in Cape Canaveral, Florida, ab und trat nach einer
8-minütigen Antriebsphase in die niedrige Erdumlaufbahn ein. An Bord des STS-121
– des ersten Flugs des Raumtransporters nach nahezu einem Jahr – befindet sich
eine siebenköpfige Mannschaft, darunter der deutsche ESA-Astronaut Thomas
Reiter.
Der erste Tag im Weltall wird einer Reihe von Überprüfungen im Flug gewidmet
sein, um sicherzustellen, dass die Discovery beim Start nicht beschädigt
wurde. Dann wird der Orbiter auf das Andocken an die ISS vorbereitet, das für
Donnerstag, den 6. Juli, 17.00 Uhr MESZ vorgesehen ist. Kurz darauf wird Thomas
Reiter bereits seine maßgeschneiderte Sitzschale in die russische Raumfähre
Sojus einbauen, die gegenwärtig an der ISS angedockt ist. Damit wechselt
auch sein Status als Bordastronaut des Raumtransporters zu einem
Mannschaftsmitglied der Raumstation.
Während seine Mitflugkollegen am 16. Juli um 14.52 Uhr MESZ oder einen Tag
später, sollte die Mission verlängert werden, zur Erde zurückkehren, wird Thomas
Reiter sechs bis sieben Monate auf der ISS verbringen. Der Flug erfolgt im
Rahmen einer Vereinbarung zwischen der ESA und Roskosmos, Russlands föderalen
Raumfahrtagentur, da der ESA-Astronaut an Stelle eines ursprünglich vorgesehenen
russischen Astronauten die Mission antritt.
Reiter, seit 1992 ESA-Astronaut, startet zum zweiten Mal in den Weltraum. Bei
seinem ersten Einsatz vor zehn Jahren, ebenfalls einem Langzeitraumflug, hat er
im Rahmen der ESA-Mission EuroMir 95 bereits 179 Tage an Bord der
russischen Raumstation Mir verbracht.
An Bord der ISS wird Reiter die Mannschaft als Flugingenieur eingliedern und dem
russischen Kommandanten Pawel Winogradow unterstehen, der im März gemeinsam mit
dem NASA-Flugingenieur Jeffrey Williams an Bord der Sojus TMA-8 die ISS
erreichte. Zum ersten Mal seit Mai 2003 wird damit ein dreiköpfiges Team auf der
ISS leben und arbeiten. Solange der Raumtransporter nicht für Logistik- und
Versorgungsflüge zur Verfügung stand, musste die Besatzung der ISS verringert
werden. Dank der zahlenmäßigen Verstärkung wird den Astronauten neben den
Wartungsarbeiten nun wieder mehr Zeit für wissenschaftliche Experimente zur
Verfügung stehen.
Thomas Reiter wird der erste nichtamerikanische und nichtrussische Astronaut
sein, der einer ständigen Bordmannschaft angehört. Künftig sollen jedoch mehr
ESA-, japanische oder kanadische Astronauten eingesetzt werden. Als
Flugingenieur wird er sich wichtigen Aufgaben in Verbindung mit der ISS-Lenkung
und -Steuerung, den Umweltüberwachungs- und Lebenserhaltungssystemen, der
Stromversorgung und Kommunikation, der Gesundheit und Sicherheit der Mannschaft
sowie der Außenbordeinsätze annehmen. Er wird der erste ESA-Astronaut sein, der
von der ISS aus einen Weltraumspaziergang durchführt. Auch da hat Reiter bereits
Übung – während seines Mir-Aufenthalts war er an zwei Außenbordeinsätzen
beteiligt.
Im September treten Winogradow und Williams ihren Rückflug zur Erde an. Sie
werden vom NASA-Kommandanten Michael Lopez-Alegria und dem russischen
Flugingenieur Mikhail Turin abgelöst, an deren Seite Thomas Reiter seine Mission
fortsetzen wird.
Im Rahmen der Mission Astrolab wird der ESA-Astronaut eine Reihe
wissenschaftlicher und technologischer Versuche an Bord der Raumstation
durchführen. Das Programm hierfür wurde von wissenschaftlichen Einrichtungen aus
ganz Europa zusammengestellt und deckt eine Vielzahl von Forschungsgebieten wie
die Humanphysiologie (Herzkreislaufsystem, Knochenmasse, Augenbewegungen,
Immunsystem, Atmung), die Astronautenpsychologie, die Mikrobiologie, die
komplexe Plasmaphysik und die Strahlungsdosimetrie ab. Ferner wird er
Technologiedemonstrationen (3D-Kamera) sowie Experimente im Bereich Industrie
und Bildung für Universitäten und Schulen durchführen. Nicht zuletzt werden
Thomas Reiter und seine Mannschaftskollegen auch qualitativ hochwertige
Astronautennahrung kosten, um das Leben ihresgleichen fern von der Erde etwas
angenehmer zu gestalten.
Der Start der Discovery markiert die Wiederaufnahme der
Raumtransporterflüge nach mehr als drei Jahren Unsicherheit aufgrund des
tragischen Verlusts der Columbia am 1. Februar 2003. Jetzt erhofft man sich
grünes Licht für die nächsten Starts und den weiteren Zusammenbau der Station.
Rund 17 Raumtransporterflüge sollen bis zum Jahr 2010 zusätzliche Bauteile des
Weltraumkomplexes einschließlich neuer Module, Gerüstsegmente und Sonnensegel,
die derzeit noch im Kennedy Space Center zwischengelagert werden, in die
Umlaufbahn befördern. Einige von ihnen, wie die Verbindungsknoten 2 und 3, die
Schlüsselelemente für den weiteren Ausbau der Raumstation sind, da sie die
Anzahl der Andockstellen erhöhen, und die Beobachtungskuppel, das erste
Panoramafenster in den Weltraum, wurden in Europa hergestellt. Einer der
Hauptbeiträge Europas zur ISS ist erst vor kurzem in Florida angekommen:
Columbus, ein einzigartiges Forschungslabor, das für die Aufnahme
fortschrittlichster wissenschaftlicher Ausrüstung für über zehn Jahre Forschung
eingerichtet ist. Das Wachstum der Raumstation werden in Zukunft auch die
Versorgungsflüge des Automatischen Transferfahrzeugs (ATV) der ESA, eines von
Ariane-5 gestarteten unbemannten Raumfrachters, unterstützen.
Einige der ESA-Gerätschaften, die die Kapazität der ISS erweitern sollen,
fliegen bereits an Bord der Discovery in dem in Italien hergestellten
Mehrzweck-Logistikmodul (MPLM) namens Leonardo mit und werden von Thomas
Reiter und seinen Kollegen in die Raumstation eingebaut. Dazu gehört die erste
der drei von der ESA entwickelten ISS-Gefriereinrichtungen bei minus 80 Grad
Celsius (MELFI), deren fortschrittliche Technologie für die Langzeitlagerung von
biologischen Proben und Forschungsergebnissen bei minus 80 Grad Celsius und
ihren Rücktransport zur Erde konzipiert wurde. Ebenfalls zu den von der ESA
bereitgestellten und mit dem STS-121 gelieferten Geräten zählt die Europäische
modulare Pflanzenzuchtvorrichtung (EMCS), die der Aufzucht von Pflanzen im
Weltraum dient, und der Perkutane elektrische Muskelstimulator (PEMS) für
humanphysiologische Experimente. Mit neuer Hardware werden außerdem bereits auf
der ISS eingesetzte ESA-Vorrichtungen wie der Handschuhkasten für
Schwerelosigkeitsforschung aufgerüstet.
Astrolab ist die erste bemannte ISS-Langzeitmission, die von einem
europäischen Kontrollzentrum aus unterstützt wird – eine Art Generalprobe also
für eine künftige stärkere Präsenz der ESA auf der ISS, sobald das Columbus-Labor
integriert ist.
Das Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei München beherbergt
das europäische Nutzlastbetriebszentrum, das mit der Koordinierung der
europäischen Experimente und Nutzlasten auf der ISS und der Überwachung der
Tätigkeiten von Thomas Reiter beauftragt ist. Es ist die Haupteinrichtung für
die europäischen Aktivitäten. Ihm zur Seite steht ein Netz von
Nutzerunterstützungs- und Betriebszentren in ganz Europa. Das Europäische
Astronautenzentrum in Köln ist für die medizinische Unterstützung zuständig.
"Astrolab ist eine Meilensteinmission für die bemannte Raumfahrt in Europa",
erklärte Daniel Sacotte, ESA-Direktor für Bemannte Raumfahrt. "Thomas ist nur
der erste; ihm werden bald andere europäische Astronauten folgen. Selbst wenn
sie in den nächsten Jahren nicht ständig auf der Raumstation arbeiten werden,
müssen wir unseren Astronauten häufige und lange Aufenthalte auf der ISS
ermöglichen. Diese Mission läutet die Ära der langfristigen Präsenz der Europäer
im Weltraum ein."
"Europa ist ein sichtbarer und zuverlässiger Partner in einem der komplexesten
Projekte, die je im Weltraum verwirklicht wurden", betonte Jean-Jacques Dordain,
Generaldirektor der ESA. "Dies bestätigen Thomas’ Mission in diesem und der
Start von Columbus sowie der erste ATV-Versorgungsflug im nächsten Jahr. Dank
des Engagements ihrer Partner, insbesondere der NASA und der russischen
Raumfahrtagentur, und ihrer Mitgliedstaaten, kann die ESA aktiv die Nutzung der
Raumstation und im Weiteren ihren Beitrag zur Exploration des Sonnensystems
vorbereiten."
Nach dem derzeitigen Startplan der NASA dürfte Thomas Reiter mit einem weiteren
Raumtransporterflug, dem STS-116, in Begleitung eines ESA-Kollegen, dem
schwedischen Christer Fuglesang, wieder zur Erde zurückkehren.
|
STS-121
Missionswebseite bei astronews.com
STS-121 -
Missionslog bei astronews.com
ISS - die
astronews.com Berichterstattung über die Internationale
Raumstation ISS
Space Shuttle
- die astronews.com Berichterstattung über die
amerikanischen Raumfähren |
|