Der fünffache Quasar
von Stefan
Deiters
astronews.com
31. Mai 2006
Gravitationslinsen sind für Astronomen kein neues Phänomen,
doch was das Weltraumteleskop Hubble jetzt beobachtete, ist eine
Premiere: Das punktförmige Bild eines entfernten Quasars erscheint auf einer
Hubble-Aufnahme gleich fünf Mal. Möglich wurde dies durch einen gewaltigen
Galaxienhaufen, der zwischen der Erde und dem Quasar liegt.
Hubbles Blick auf den Galaxienhaufen SDSS
J1004+4112. [Großansicht]
SDSS J1004+4112 mit Erklärungen. Fotos: ESA, NASA, K.
Sharon (Tel Aviv University) and E. Ofek (Caltech) [Großansicht] |
Das Phänomen von Gravitationslinsen ist heute eigentlich nichts
Ungewöhnliches mehr. Auf vielen tiefen Blicken ins All kann man die
eigentümlichen kosmischen Trugbilder erkennen, die durch diese "Linsen"
entstehen. Bei Gravitationslinsen handelt es sich um extrem massereiche Objekte
wie etwa Galaxienhaufen, die durch ihre Gravitationskraft den Lauf des Lichtes
beeinflussen.
Bei dem jetzt von Hubble beobachteten Quasar handelt es sich um das
weit entfernte helle Zentrum einer Galaxie, das von einem massereichen Schwarzen
Loch gespeist wird. Auf dem Weg zur Erde passiert das Licht des Quasars das
Gravitationsfeld eines Galaxienhaufens, der zwischen uns und dem entfernten
Quasar liegt.
Nach Einstein krümmt die Masse des Galaxienhaufens den Raum. Diesen Effekt
spürt auch das Licht, wenn es auf dem Weg zur Erde den Galaxienhaufen passiert.
Es wird abgelenkt und verstärkt. Dadurch
entstehen fünf Bilder des Quasars, die um das Zentrum des Galaxienhaufens
angeordnet sind. Das fünfte Bild des Quasars ist auf dem Foto kaum zu erkennen.
Es liegt rechts im Kernbereich der zentralen Galaxie des Galaxienhaufens. Die
Masse des Galaxienhaufens sorgt auch dafür, dass noch andere Objekte in
bogenförmigen Bildern rund um das Haufenzentrum erscheinen.
Der Galaxienhaufen, der für diese kosmischen Trugbilder verantwortlich ist,
trägt den Namen SDSS J1004+4112 und wurde im Rahmen des Sloan Digital Sky
Survey, einer umfangreichen Himmelsdurchmusterung, entdeckt. Er gehört mit
einer Entfernung von etwa sieben Milliarden Lichtjahren zu den weiter entfernten
Galaxienhaufen und wir sehen ihn in einem Zustand, in dem er sich befand als das
Universum nur etwa halb so alt war wie heute. Spektroskopische Untersuchungen
mit dem 10 Meter Keck I-Teleskop auf Hawaii haben schließlich bestätigt,
dass alle Bilder tatsächlich von ein und demselben Quasar stammen.
Gravitationslinsen erzeugen immer eine ungerade Zahl von Bildern, doch ist ein
Bild davon meist nur sehr schwach und liegt zudem noch im Licht des Objektes,
das für das Phänomen verantwortlich ist. So war es auch bei SDSS J1004+4112: Bei
früheren Beobachtungen hatten man nur vier Bilder des entfernten Quasars
entdeckt (astronews.com berichtete). Nur durch Hubbles Auflösungsvermögen gelang es schließlich, auch das
noch fehlende Bild im Zentrum des Haufens zu entdecken.
Doch die Gravitationslinse sorgt nicht nur für eine Vervielfachung der
Bilder, sondern gleichzeitig auch für deren Vergrößerung: Der Quasar und seine
Muttergalaxie liegen nämlich in zehn Milliarden Lichtjahren Entfernung. Trotzdem
ist auf dem Bild die Muttergalaxie als schwacher rötlicher Bogen zu erkennen. Es
handelt sich um das am stärksten vergrößerte Bild einer Quasar-Muttergalaxie,
das bislang aufgenommen wurde.
Zugleich sind auf dem Bild auch weitere Mehrfach-Bilder anderer Galaxien
auszumachen, die - von uns aus gesehen - hinter dem Galaxienhaufen liegen. Die
Beschäftigung mit dem Galaxienhaufen bescherte den Astronomen noch eine
Überraschung: Durch den Vergleich mit einer Aufnahme, die Hubble vor
einem Jahr machte, konnten die Wissenschaftler eine Supernova-Explosion
nachweisen, die in einer Galaxien des Galaxienhaufens vor sieben Milliarden
Jahren explodiert ist.
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