Das Lineal des Universums
von Stefan
Deiters
astronews.com
17. Mai 2006
Astronomen haben jetzt die bislang größte dreidimensionale
Karte des Universums veröffentlicht. Die keilförmige Karte umfasst etwa ein
Zehntel des Nordhimmels, reicht bis in eine Entfernung von 5,6 Milliarden
Lichtjahren und umfasst allein 600.000 leuchtstarke rote Galaxien. Mit dem
Datenmaterial lässt sich die Rolle der Dunklen Energie überprüfen.
Das SDSS 2,5 Meter-Teleskop, das zur Erstellung der
Karte verwendet wurde. Foto: Lawrence Berkeley
National Laboratory
Schema der neuen und größten Karte des Universum. Bild:
Lawrence Berkeley National Laboratory [Großansicht] |
Das Astronomenteam um Nikhil Padmanabhan von der Princeton University
und David Schlegel vom Lawrence Berkeley National Laboratory ist Mitglied
des Sloan Digital Sky Surveys (SDSS) und hatte bereits zuvor kleinere
dreidimensionale Karten des Weltalls veröffentlicht. Schon mit diesen war ein
gewaltiges Stück Arbeit verbunden: Für jede einzelne Galaxie musste ein Spektrum
aufgenommen werden, um so die Entfernung aus der Rotverschiebung bestimmen zu
können. "Neu an dieser Karte ist, dass es die größte Karte ist, die jemals
erstellt wurde und dass sie nicht auf einzelnen Spektren basiert", erläutert
Padmanabhan.
Von Interesse sind solche Kartierungen des Universums für Astronomen vor
allem, um daraus ablesen zu können, wie die Materie im Weltall verteilt ist.
"Die hellsten Galaxien sind dabei unsere Leuchttürme - wo das Licht ist, ist
auch Materie", so Padmanabhan. "Weil sich die neue Karte über sehr viel größere
Entfernungen erstreckt, kann man auf ihr auch Strukturen erkennen, die eine
Milliarde Lichtjahre groß sind", ergänzt Schlegel.
Die Variationen, die Astronomen in der Verteilung der Galaxien beobachten,
lassen sich direkt auf die winzigen Temperaturschwankungen zurückführen, die man
in der kosmischen Hintergrundstrahlung entdeckt hat. Diese sind ein Hinweis auf
kleine Dichteunterschiede im Universum direkt nach dem Urknall.
Interessanterweise ergibt sich aus diesen Unterschieden eine Art natürliches
Lineal: Es kommt im Weltall zu regelmäßigen, wiederkehrenden Schwankungen in der
Dichte der normalen Materie in Abständen von rund 450 Millionen Lichtjahren.
"Dieses Lineal hat nur leider eine recht unpraktische Größe", so Schlegel. "Man
muss schon einen sehr großen Teil des Universums beobachten, um es dort
hineinzubekommen." Und Padmanabhan ergänzt: "Unser Weltall ist zwar 13,7
Milliarden Jahre alt, aber das ist nicht so wahnsinnig viel, wenn man ein Lineal
hat, das nur alle 450 Millionen Lichtjahre einen Strich hat."
Die Verteilung der Galaxien erlaubte es den Astronomen auch, etwas über die
mysteriöse Dunkle Energie zu erfahren, die nach den jüngsten Modellen für rund
drei Viertel der Dichte des Universums verantwortlich ist. Dunkle Materie macht
etwa 20 Prozent aus, sichtbare Materie nur fünf Prozent. "Dunkle Energie ist
eine Beschreibung unserer Beobachtung, dass sich die Expansion des Universums
beschleunigt", erklärt Padmanabhan. "Wenn wir uns die Dichteschwankungen in der
Hintergrundstrahlung, also 300.000 Jahre nach dem Urknall anschauen und
vergleichen, wie sich diese auf unserer 5,6 Milliarden Jahre umfassenden Karte
entwickelt haben, können wir sehen, ob unsere Schätzungen über die Dunkle
Energie korrekt waren."
Die großräumige Verteilung der Galaxien, die auf der neuen Karte zu erkennen
ist, bestätigt das anerkannte Bild des sich beschleunigt ausdehnenden
Universums. Auch die in der Karte angenommene Verteilung der Dunklen Materie,
stimmt mit den aktuellen Theorien überein.
Für die Karte haben die Wissenschaftler mit dem SDSS-Teleskop eine besondere
Art von hellen, rötlichen Galaxien beobachtet. "Es handelt sich hierbei um die
ältesten Galaxien im Universum", erklärt Schlegel. "Alle massereichen,
kurzlebigen Sterne sind schon lange ausgebrannt, nur noch die alten roten Sonnen
sind übrig." Um nicht für jede Galaxie ein Spektrum aufnehmen zu müssen,
behalfen sie sich mit einem Trick: Sie benutzten eine Auswahl von 10.000 roten
Galaxien, für die sie die Entfernung in Beziehung zu ihrer Helligkeit setzten.
Diese Beziehung verwendeten sie dann zur Erstellung ihrer Karte aus 600.000
Galaxien.
"Es gibt natürlich eine statistische Unsicherheit, wenn man eine
Helligkeits-Entfernungsbeziehung, die nur auf 10.000 Galaxien beruht, auf
600.000 Galaxien anwendet, ohne individuelle Messungen vorzunehmen", gibt Padmanabhan zu. "Allerdings haben wir so viele Galaxien, dass uns dieser
Durchschnittswert immer noch wertvolle Informationen liefert. Und ohne
individuelle Spektren messen zu müssen, können wir viel weiter in die Tiefe des
Alls schauen."
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