Matroshka wartet auf zweiten Einsatz
Redaktion / DLR
astronews.com
8. November 2005
Welchen Belastungen ist ein Astronaut im Weltall ausgesetzt und welchen
Schutz können moderne Raumanzüge bieten? Das sind nur zwei Fragen, die Matroshka
beantworten sollte. Die Spezialpuppe war 18 Monate an der Außenwand der ISS
angebracht und leistet jetzt der Besatzung im Inneren Gesellschaft. Doch
ein zweiter Einsatz des "Phantoms der ISS" ist geplant.
ISS-Außenbordeinsatz am 18./19. August 2005: Matroshka wird
abmontiert. Foto: NASA
Phantom an der Außenwand der ISS: Der rote Pfeil zeigt die
Position von Matroshka während ihres 18-monatigen
Außenbordeinsatzes. Foto: NASA. |
Anderthalb Jahre lang befand sich ein Phantom an der Außenwand der
Internationalen Raumstation ISS. Jetzt leistet es der Besatzung in der Station
Gesellschaft: Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine besondere Art von
Weltraum-Spuk, sondern um ein ernsthaftes Experiment namens Matroshka zur
Messung der Strahlenbelastung innerhalb und außerhalb der ISS. In Wirklichkeit
ist das "Phantom" eine Spezialpuppe. Entwickelt und gebaut wurde die
Experimentalanlage im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA vom
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Gestartet am 29. Januar 2004 (astronews.com berichtete), wurde Matroshka
am 27. Februar 2004 in einem mehrstündigen Außenbordeinsatz, einem so genannten
EVA (Extra Vehicular Activity), auf einer multifunktionalen Plattform
außerhalb des russischen Servicemoduls "Svesda" montiert. Durch die Messung der
Strahlendosis, die auf die Astronauten inner- und außerhalb der ISS einwirkt,
lassen sich die Risiken kosmischer Strahlung für den menschlichen Körper
einschätzen. Die Erkenntnisse aus diesem Experiment könnten dazu beitragen,
Gegenmaßnahmen zu entwickeln, die einen geeigneten Schutz gegen die kosmische
Strahlung darstellen.
Die "Phantompuppe" selbst - mit Kopf und Oberkörper - ähnelt einem
menschlichen Torso. Innerhalb der Puppe befinden sich an über 800 Positionen,
unter anderem auch in verschiedenen simulierten menschlichen Organen, aktive und
passive Strahlungsdetektoren. Diese Sensoren haben bereits eine verwertbare
Menge an Daten geliefert, die inzwischen zur Analyse an die beteiligten
Wissenschaftler weitergeleitet wurden. Um die Schutzwirkung des Raumanzugs zu
simulieren, umgibt die Puppe ein Behälter aus Kohlefaser.
Im Rahmen eines weiteren "Weltraumspaziergangs" am 18. August 2005 brachte
die Besatzung der "Expedition 11" Matroshka in die Internationale
Raumstation ISS zurück. Zum Abschluss der ersten Versuchsreihe entfernte die
Crew am 14. September 2005 die über 6.000 passiven Strahlungsdetektoren aus dem
Phantom.
Inzwischen sind diese Detektoren wieder auf der Erde - zusammen mit der
"Expedition 11", die am Morgen des 11. Oktober 2005 sicher in Kasachstan
landete. Die Besatzung der "Expedition 12" wird neue, passive
Strahlungsdetektoren in die Puppe einbauen. Damit wird die zweite Versuchsreihe
namens Matroshka IIA gestartet. Geliefert werden die Detektoren mit dem
Transportflug Progress 20P, der am 21. Dezember 2005 starten soll.
Sobald die neuen Detektoren installiert sind, wird sich Matroshka etwa ein
Jahr lang im Inneren der ISS aufhalten. Dort werden dann weitere Messwerte
aufgezeichnet, die Aufschluss über die Strahlenwerte in der ISS geben. Im
Spätsommer 2006 wird dann die Experimentphase Matroshka IIB gestartet, in
der auch die aktiven Strahlungsdetektoren wieder zum Einsatz kommen.
Anschließend geht es noch einmal für ein gutes Jahr zurück an die Außenwand der
ISS.
Während die passiven Detektoren nach dem Rücktransport auf die Erde
analysiert werden, um Daten zu den kumulierten Strahlungsdosen zu erhalten,
melden die aktiven Detektoren die gemessenen Strahlungswerte in Echtzeit. Die
Ergebnisse werden an das Moskauer Missionskontrollzentrum übertragen und
anschließend zur Auswertung an die Forscher im Kölner
Nutzerunterstützungszentrum (MUSC) des DLR weitergeleitet.
Sechs der sieben aktiven Dosimeter wurden im Auftrag des DLR von der Universität
Kiel gebaut. Dabei werden Teilchenraten, Dosisraten und lineare
Energieübertragungsspektren für Strahlung aus dem Van-Allen-Gürtel, aus dem
"tiefen Raum" (Deep Space) und von der Sonne erfasst sowie die Neutronendosis
gemessen. Erste Ergebnisse dieser aktiven Messgeräte zeigen, dass die
Strahlungsdosis, der ein Astronaut während eines Weltraumspaziergangs ausgesetzt
ist, um etwa den Faktor drei höher ist als innerhalb der schützenden Hülle der
Raumstation.
|