Sorgt Verwitterung und nicht Leben für
Methan?
von Ulrich Knittel
für
astronews.com
15. Juni 2005
Methan, das
auf der Erde durch Bakterien und Vulkanismus entsteht, wurde im vergangenen Jahr
in der Marsatmosphäre nachgewiesen. Manche deuteten dies, als möglichen Hinweis
auf Leben auf dem Roten Planteten. Jetzt raten zwei Geologen zur Vorsicht:
Methan könnte nämlich auch durch die Verwitterung von Olivin, einem wichtigen
Bestandteil von Basalten, gebildet werden.

Falschfarben-Aufnahme des Ganges Chasma im Valles Marineris.
Schichten, die einen hohen Anteil des Minerals Olivin enthalten,
erscheinen lila.
Foto:
NASA / JPL /Arizona State University |
Die Frage, ob es möglicherweise Leben auf dem Mars gibt, beschäftigt die
Wissenschaft wie auch die Öffentlichkeit, seit Schiaparelli auf dem Mars feine
Linien entdeckt zu haben glaubte, die er "canali" nannte. Seitdem gehen
Wissenschaftler wie Astronomie-begeisterte Laien durch wahre Wechselbäder der
Gefühle: Im August 1996 gaben NASA Wissenschaftler bekannt, dass sie in einem
vom Mars stammenden Meteoriten Lebensspuren gefunden haben. Seitdem wurde nun
wiederholt gezeigt, dass diese verschiedenen Hinweise auf Leben auch durch
anorganisch ablaufende Prozesse entstanden sein könnten - also vollkommen ohne
beteiligtes Leben.
Doch im letzten Jahr gab es offenbar einen direkteren Hinweis auf mögliches
Leben: Bei Beobachtungen von der Erde aus wurde
Methan (CH4, der einfachste Kohlenwasserstoff) in der Marsatmosphäre
aufgespürt (astronews.com
berichtete). Inzwischen wurde diese Entdeckung durch Messungen der europäischen
Raumsonde Mars Express bestätigt.
Die Auswertung der Mars Express-Daten zeigte
zudem, dass in Regionen, über denen besonders viel Methan in der Atmosphäre zu
finden ist, auch relativ viel Wasserdampf vorhanden war.
Die Entdeckung von Methan erregte einiges Aufsehen, denn Methan wird in der
Marsatmosphäre binnen gut 300 Jahren durch kosmische Strahlung zerstört (in der
irdischen Atmosphäre ist die Zerstörung von Methan durch die Reaktion mit
Sauerstoff, bei der Wasser und Kohlendioxid entstehen, noch viel schneller).
Dies bedeutet, dass auf dem Mars durch irgendeinen Prozess ständig neues Methan
gebildet werden muss.
Auf der Erde entsteht Methan vor allem durch zwei Prozesse: Einmal ist es in
bestimmten vulkanischen Gasen enthalten, zum anderen, und das ist die weitaus
größte Menge, entsteht es beim Stoffwechsel bestimmter Einzeller, so genannter Methanogenen (Methanerzeuger). Sollte Methan auf dem Mars auf gleiche Weise
entstehen, wäre dies sensationell, denn bislang ist für den Mars der Nachweis von
aktivem Vulkanismus nicht geglückt. Allerdings entweicht aus vielen irdischen Vulkangebieten aber
auch dann noch Gas, wenn die eigentliche vulkanische Aktivität schon lange zu
Ende gegangen ist. Darüber hinaus konnte die Existenz von vergangenem oder gegenwärtigem Leben
auf dem Mars bislang nicht überzeugend nachgewiesen werden.
Die Korrelation von Wasserdampf- und Methangehalt über bestimmten Regionen des
Mars führte auch zu einer weiteren Spekulation; durch geothermische Energie
könnten unter der Marsoberfläche liegende Eisschichten verdunsten und falls
diese Eisschichten auch Methan enthalten, könnte auch dieses dabei freigesetzt
werden. Bliebe aber auch hier die Frage, wie das Methan entstanden ist und wie
es in das Eis kommt.
Nun legten zwei Geologen, Chris Oze und Mukul Sharma, die am Dartmouth College
in Hanover, New Hampshire, USA, arbeiten, eine weitere, etwas unspektakulärere Erklärung für die Entstehung von Methan vor: Danach könnte Methan bei der
Verwitterung des Minerals Olivin, einem typischen Bestandteil von Basalten,
entstehen. Bei diesem Vorgang, der Serpentinisierung genannt wird, nimmt Olivin,
ein Eisen-Magnesium-Silikat, Wasser auf. Serpentinisierung ist ein ganz normaler
Prozess im Bereich des irdischen Ozeanbodens und das dabei entstehende Methan
kann im Tiefenwasser der Ozeane nachgewiesen werden.
Olivin ist auf dem Mars reichlich vorhanden, wie die Untersuchung der
Marsmeteorite belegt und wie inzwischen auch durch Fernerkundung nachgewiesen
werden konnte. Allerdings muss der Olivin mit flüssigem Wasser in Kontakt treten,
damit es zur Serpentinisierung und damit auch zur Methanbildung kommt. Zudem
deutet die
Tatsache, dass sich Olivin aus dem Marsorbit nachweisen lässt, darauf hin, dass der Olivin zu einem großen Teil noch vorhanden ist, also nicht
in Serpentin umgewandelt wurde. Allerdings findet der Prozess der Serpentinisierung nicht an der Oberfläche eines Planeten statt, sondern unter erhöhtem Druck
und Temperaturen. Auf dem Mars könnten die notwendigen Bedingungen in wenigen
Kilometern Tiefe gegeben sein.
Die beiden Geologen berechneten nun, dass die beobachtete Menge Methan durch die Serpentinisierung von etwa 80.000 Tonnen Olivin im Jahr bewerkstelligt werden
könnte. Im Laufe der Marsgeschichte müsste lediglich eine etwa fünfzig
Zentimeter mächtige Schicht Olivin umgewandelt worden sein, um die gegenwärtige
Methankonzentration in der Marsatmosphäre zu erklären, "eine sehr kleine Menge"
wie Oze zu bedenken gibt. Zwar sähe auch er "gerne Hinweise auf biologische Aktivität",
doch müsse man "auch andere geologische Prozesse in Betracht ziehen".
So könnte es
also sein, dass man im Fall "Methan auf dem Mars" einiges Neues über die
Bedingungen gelernt hat, die zur Entstehung von Methan führen können - auf dem
Mars und auf der Erde. Dem Ziel aber, Leben auf dem Mars nachzuweisen, dürfte
man nicht näher
gekommen sein.
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