Handychip
verbessert Blick ins All
Redaktion
astronews.com
26. Oktober 2004
Astrophysiker der Universität Bonn haben ein neuartiges Spektrometer
entwickelt, das die Radioastronomie revolutionieren könnte. Sie verwendeten dazu
spezielle Computerchips, die beispielsweise auch in der Mobilfunktechnik zum
Einsatz kommen. Das Spektrometer ist erheblich empfindlicher und schneller als
herkömmliche Modelle, verbraucht weniger Energie, kostet aber nur rund ein
Zehntel. Erste Tests des Geräts am 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg
verliefen bereits erfolgreich.
Das 100-Meter-Radioteleskop bei Bad Münstereifel-Effelsberg. Bild:
Max-Planck-Institut für Radioastronomie
So klein ist das neue Bonner Spektrometer im Vergleich zu seinem
Vorfahr. Dr. Stephan Stanko (rechts) vom Radioastronomischen
Institut und sein Kollege Bernd Klein vom Max-Planck-Institut
für Radioastronomie vor dem alten Effelsberger Spektrometer, das
einen ganzen Schrank füllt, während das neue in eine Hand passt.
Foto: Uni Bonn |
Radiospektrometer funktionieren im Prinzip ähnlich wie ein Prisma, das Licht in
seine Grundfarben zerlegt. Im Gegensatz dazu fächern sie jedoch Radiosignale
auf, wie sie beispielsweise das Teleskop in Effelsberg mit seiner
100-Meter-Parabolantenne empfängt. So senden beispielsweise Gaswolken im All
charakteristische Radiowellen aus, so genannte Emissionslinien.
"Je nach
Zusammensetzung der Wolke finden sich so im Empfangssignal ganz bestimmte
Frequenzen", erklärt Dr. Jürgen Kerp. "Ein Beispiel ist die berühmte
Wasserstofflinie: Wasserstoff emittiert Wellen von 21 Zentimetern Länge; an
dieser Stelle sieht man im Spektrum daher ein markantes Signal." Spektrometer
können daher kalte (und damit dunkle) Gaswolken durch ihr Radiospektrum sichtbar
machen und so Hinweise auf die Zusammensetzung weit entfernter Welten geben.
Dr. Kerp und Dr. Stephan Stanko vom Radioastronomischen Institut haben das
neuartige Spektrometer zusammen mit ihrem Kollegen Bernd Klein vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie entwickelt. Dabei haben die
Astrophysiker auf Bauteile zurückgegriffen, die im Mobilfunk bereits regelmäßig
eingesetzt werden: die so genannten Field Programmable Gate Arrays, kurz
FPGAs. "Das sind spezielle Hochgeschwindigkeit-Chips, die wir so programmieren,
dass sie Radiosignale spektral zerlegen können", so Dr. Kerp.
Eine Einsteckkarte
mit einem derartigen FPGA-Spektrometer ist kaum größer als eine Handfläche.
Zudem kostet sie weniger als 10.000 Euro, da die Mobilfunk-Chips in hoher
Stückzahl produziert werden. "Herkömmliche Geräte sind dagegen erst für ein
Vielfaches zu bekommen und nehmen einen ganzen Schrank ein", betont der
Privatdozent.
Im praktischen Einsatz bringt die Größe Probleme mit sich. Zudem verschlingen
Spektrometer vom alten Schlag bis zu 1000fach mehr Strom. Radioteleskope stehen
aber häufig in unwirtlichen Gegenden in großer Höhe, wo die Erdatmosphäre den
Empfang möglichst wenig stört - dort kommt der Strom nicht aus der Steckdose.
"Die Energieversorgung ist bislang häufig ein Problem", so Kerp; "unser
Spektrometer verbraucht dagegen noch weniger als ein PC."
Im August konnten die Wissenschaftler des Radioastronomischen Instituts erstmals
ein FPGA-Spektrometer am 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg erproben - eine
Weltpremiere. Ab Herbst 2005 sollen dort 14 der neuen Geräte zum Einsatz kommen.
"Die Qualität der Beobachtungsdaten übertrifft die der bislang eingesetzten
Spektrometer bei weitem" schwärmt Jürgen Kerp; "die Methode hat ein enormes
Potenzial!" Überdies seien die Karten so "furchtbar schnell", dass man damit
drei verschiedene Messungen zur selben Zeit durchführen könne - bei
durchschnittlichen Betriebskosten eines Radioteleskops von einigen tausend Euro
pro Stunde kein schlechtes Argument für einen Umstieg.
Die Branche muss allerdings noch umdenken: "Bislang gibt es weltweit nur drei
Gruppen, die an FPGA-Spektrometern arbeiten - neben uns noch eine in den USA und
eine in Australien. Der Rest setzt auf die bewährte Technik." Die Zeit spielt
aber für die Bonner: "Die Chips verarbeiten pro Sekunde 800 Megabyte an Daten -
weit mehr, als heute in den meisten Fällen nötig ist. Bei künftigen
Radioteleskopen wird die Datenflut jedoch deutlich anwachsen. Da wird man um
FPGA-Spektrometer wahrscheinlich gar nicht herum kommen."
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