Kein Leben
im Zentrum unserer Galaxie
von Stefan
Deiters
astronews.com
6. Oktober 2004
Im Zentrum
unserer Milchstraße hatte das Leben nie eine Chance, so das Fazit eines
Astronomenteams, das diese Region unserer Galaxie mit einem Teleskop in der
Antarktis studiert hat: Rund alle 20 Millionen Jahre kommt es nämlich im
Milchstraßenzentrum zu einer heftigen Sternentstehungsphase und die folgenden
Supernova-Explosionen sterilisieren mit ihrer Strahlung die gesamte Region.
Auf diesem hypothetischen Planeten im Zentrum der Milchstraße
sorgt die untergehende Sonne für Abendrot am Himmel. Doch eine
gewaltige Supernova-Explosion (oben rechts) dürfte bald für das
Ende des Lebens auf diesem Planeten sorgen. Bild: David
A. Aguilar,
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics
Das Antarctic Submillimeter Telescope and Remote Observatory.
Foto: Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics |
Die Entdeckung der Wissenschaftler, von der sie in der kommenden Ausgabe der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters berichten, wurde durch die
Verwendung des Antarctic Submillimeter Telescope and Remote Observatory
(AST/RO) möglich, das als einziges Teleskop auf der Erde in der Lage ist,
großflächige Beobachtungen am Himmel im Sub-Millimeter-Bereich zu machen.
Die Phasen heftiger Sternentstehung, so ergaben die Untersuchungen der
Forscher, werden durch Gas ausgelöst, welches sich zunächst in einem Ring aus
Material sammelt, der rund 500 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt ist.
Das Gas sammelt sich hier unter dem Einfluss einer rund 6.000 Lichtjahre weiten
rotierenden Region von Sternen in der Mitte unserer Milchstraße - dem so
genannten Balken.
Durch Wechselwirkungen mit diesem Balken wird der Ring aus Gas
immer weiter mit Material angereichert, bis er schließlich eine kritische Dichte
erreicht und in Richtung des Milchstraßenzentrums kollabiert. Das Gas wird dabei
komprimiert, was zu einer heftigen Phase von Sternentstehung führt - die
Astronomen sprechen von einem Starburst.
Solche Starbursts kann man in vielen Galaxien beobachten,
insbesondere, wenn zwei Galaxien verschmelzen. Sie können aber auch in
Einzelgalaxien wie unserer Milchstraße auftreten. Und der nächste Ausbruch
dürfte, so das Ergebnis der Untersuchungen, nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen: "Es wird
sehr wahrscheinlich innerhalb der nächsten zehn Millionen Jahre passieren", so
Antony Stark vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Die
Forscher haben nämlich durch ihre Messungen herausgefunden, dass die Dichte im
Gasring allmählich ihren kritischen Wert erreicht. Ist das passiert, wird der
Ring kollabieren und ein Starburst beginnen.
Die Astronomen gehen davon aus, dass in diesem Fall rund 30 Millionen
Sonnenmassen Material ins Zentrum der Galaxie strömen werden, was das dortige zentrale
Schwarze Loch, das eine Masse von nur drei Millionen Sonnenmassen hat, erheblich
überfordern dürfte: Es gelingt ihm einfach nicht, das gesamte Gas zu
verschlingen. "Das ist so als wollte man einen Wassernapf für einen Hund mit
einem riesigen Feuerwehrschlauch auffüllen", vergleicht Stark. Das Gas steht
also größtenteils für Sternentstehung zur Verfügung und so dürften Millionen
neuer Sterne entstehen.
Unter diesen Sternen werden sich auch zahlreiche massereiche Sonnen befinden,
die mit ihrem Brennstoff sehr verschwenderisch umgehen und schon nach wenigen
Millionen Jahren ihr Leben in einer Supernova-Explosion beenden. Wegen ihrer
großen Anzahl dürfte die Strahlung, die bei diesen Explosionen entsteht,
ausreichen, um sämtliches Leben auf potentiell vorhandenen erdähnlichen Planeten
im Zentrum unserer Milchstraße auszulöschen. Glücklicherweise ist unsere Erde
rund 25.000 Lichtjahre von diesem lebensfeindlichen Ort entfernt und das Leben
auf ihr nicht gefährdet.
Die Beobachtungen gelangen den Forschern mit einem 1,7-Meter Teleskop, das
sich in der amerikanischen Amundsen-Scott-Antarktisstation befindet. Die Luft in
der Antarktis ist so trocken, dass hier Strahlung aufgespürt werden kann, die an
anderen Orten der Erde vom Wasserdampf in der Luft verschluckt werden würde.
"Diese Beobachtungen haben uns enorm geholfen, mehr über die Sternentstehung in
der Milchstraße zu lernen", so Stark. "Wir hoffen nun, durch Zusammenarbeit mit
Kollegen vom Spitzer-Weltraumteleskop noch mehr darüber erfahren zu
können."
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