VIRTUAL OBSERVATORY
Ein Brauner
Zwerg auf Knopfdruck
von Stefan
Deiters
astronews.com
19. März 2003
Schon seit
einiger Zeit diskutieren Astronomen, wie man die ungeheuren Datenmengen, die
moderne Großteleskope produzieren, effektiver nutzen kann. Eine gute Lösung scheint da die Kombination der Datenbestände in einem
"virtuellen Observatorium" zu sein. Ein Prototyp zeigte nun die Leistungsfähigkeit des
Konzepts. In nur zwei Minuten entdeckte man einen neuen Braunen Zwerg.
Der neu entdeckte Braune Zwerg 2MASSI J0104075-005328 im
2MASS-Survey (oben) und im SDSS (unten). Foto:
Johns Hopkins Universität |
Weltweit denkt man derzeit über Konzepte nach, die ungeheuren Datenmengen
moderner Großteleskope noch besser für die astronomische Forschung zugänglich zu
machen (astronews.com berichtete). In den USA arbeiten die Astronomen gerade an
der Entwicklung des National Virtual Observatory (NVO), welches einmal
online Zugang zu einer Vielzahl von astronomischen Datenbeständen ermöglichen
soll. Ein Prototyp zeigte nun, wie leistungsfähig dieses Konzept ist: In zwei
unterschiedlichen Datenbeständen, die jeweils viele Millionen astronomische Objekte
enthalten, entdeckten die Forscher einen neuen Braunen Zwerg, also einen extrem
leuchtschwachen Stern, der nicht genügend Masse hat, um sein nukleares Brennen
zu zünden. Normalerweise hätte man für diese Aufgabe Wochen oder gar Monate
benötigt, dank des NVO-Prototyps gelang die Entdeckung in rund zwei Minuten.
Natürlich, so betonen die Wissenschaftler, die an dem NVO-Projekt beteiligt
sind, ist die Entdeckung eines Braunen Zwergs keine wissenschaftliche Sensation
mehr, doch würde der Erfolg deutlich machen, welches Potential in dem Projekt
steckt. Die Entdeckung gelang den Forschern außerdem zu einem Zeitpunkt, zu dem sie
eigentlich nur bekannte Entdeckungen reproduzieren wollten und gar keine
Neuentdeckungen geplant hatten. "Wir wollten nur die Qualität des Systems
überprüfen und es alle Braunen Zwerge finden lassen, die man finden kann",
erläutert Alex Szalay, Direktor des NVO-Projektes und Professor an der Johns
Hopkins Universität. "Es war das erste Mal, dass wir das NVO in Betrieb nahmen
und es lieferte sofort eine Neuentdeckung in einem Datenbestand, der seit
mindestens eineinhalb Jahren öffentlich zugänglich ist."
Und gerade hier liegt nach Ansicht der Fachleute der Vorteil der virtuellen
Observatorien: Riesige Datenbestände werden oft gar nicht mehr beachtet, weil
neue und andere Beobachtungstechniken verfügbar werden, die wieder eine Unmenge
an Daten produzieren. Zudem werden oft astronomische Objekte in
unterschiedlichsten Wellenlängenbereichen beobachtet, der ursprüngliche
Beobachter hat aber nur Interesse an einem bestimmten Aspekt und einem
Wellenlängenbereich. Die anderen Daten bleiben dann oft unberücksichtigt, weil
sie - obwohl für andere Astronomen frei zugänglich - doch recht schwer nutzbar
sind. Ein einheitliches Datenformat und standardisierte Suchroutinen sind
deswegen ein wichtiges Merkmal des NVO-Projektes.
"Der Braune Zwerg konnte nur entdeckt werden, weil wir uns zwei unabhängige
Himmelsdurchmusterungen angeschaut haben", erläutert NVO-Vize-Direktor Roy
Williams vom California Institute of Technology. "In jedem einzelnen der beiden
Kataloge sind Braune Zwerge schwer auszumachen, aber wenn man die Informationen
kombiniert, werden sie sichtbar." So werden durch das NVO zwar keine
Beobachtungen möglich, die ohne das Projekt nicht durchführbar wären, jedoch
sind Erfolge deutlich schneller und effektiver zu erreichen. Am NVO-Projekt
arbeiten derzeit 17 Forschungseinrichtungen in den USA.
Der Braune Zwerg fand sich im Sloan Digital Sky Survey (SDSS) und im
Two Micron All Sky Survey (2MASS) nach der Analyse von 15 Millionen
Objekten im SDSS und 160 Millionen Objekten in 2MASS. Der NVO-Prototyp
entdeckte, dass beiden Kataloge rund 300.000 gemeinsame Objekte enthielten und
spürte so sieben Braune Zwerg-Kandidaten auf. Nach einer Überprüfung blieben
allerdings nur noch drei Kandidaten übrig, einer ist inzwischen bestätigt
worden, von den beiden anderen müssen noch Spektralinformationen ausgewertet
werden. "Das System hat die Auswahl der Objekte automatisch von mehreren
Millionen Sternen auf einige Hunderttausend und schließlich auf eine Hand voll Sterne
reduziert", so Szalay. "Das ist schon wirklich bemerkenswert."
Auch in Europa sind die Astronomen dabei mit Hilfe des Astrophysical
Virtual Observatory die Datenbestände aus Beobachtungen zu vereinheitlichen
und zu kombinieren. Enge Kontakte bestehen dabei auch zum NVO-Projekt, so dass
die Hoffnung besteht, dass es in Zukunft nur ein weltweites virtuelles
Observatorium gibt.
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