Ähnlich wie Staub in der Erdatmosphäre die untergehende Sonne rot
erscheinen lässt, verrät sich Staub in fernen Galaxien dadurch, dass er
das blaue Licht von Sternen blockiert. Doch welche Mengen Staub befinden
sich tatsächlich in den Galaxien und wie viel Sternenlicht wird von ihm
abgeschottet? Dr. Richard J. Tuffs, Dr. Cristina C. Popescu, Dr. D.
Pierini und Prof. Heinrich J. Völk von der Abteilung Astrophysik des
Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg haben in Kooperation mit
Wissenschaftlern ausländischer Forschungsinstitute im Infrarot-Bereich die
Helligkeit von Spiral- und Zwerggalaxien im Virgo-Cluster gemessen und
überraschend große Mengen kalten Staubs entdeckt. Daraus ergibt sich, dass
die Masse des kosmischen Staubs in diesen Galaxien mindestens zehnmal
größer ist als bisher angenommen.
Auch die Schätzungen des insgesamt von den Sternen abgestrahlten Lichts
müssen jetzt deutlich nach oben korrigiert werden: Denn nach diesen
Messungen wird bis zu 50 Prozent des sichtbaren optischen Lichts in diesen
Galaxien in für das menschliche Auge unsichtbare infrarote Strahlung
umgewandelt. Zudem deuten die Infrarot-Untersuchungen darauf hin, dass
blaue kompakte Zwerggalaxien offenbar von großen Ansammlungen kosmischen
Staubs umgeben sind, ein Zeichen für intergalaktische Materie, die gerade
in die Galaxie einströmt und eine neue Generation von Sternen erzeugt.
Fragen nach dem Staub in Galaxien haben Astronomen beschäftigt, schon
seit Edwin Hubble vor über 70 Jahren erkannt hat, dass unsere Milchstraße
eine Galaxie unter vielen anderen im Universum ist. Direkte Messungen von
Staub sind notwendig, um zu verstehen, wie viel Energie überhaupt die
Sterne einer Galaxie abstrahlen, welche Farbe dieses Licht hat, und,
letztendlich, welche Art von Sternen während der Entwicklungsgeschichte
der Galaxie entstanden sind und wie die Milchstraße sich einst als Galaxie
formiert hat.
Die Max-Planck-Wissenschaftler haben deshalb die Helligkeit von Galaxien,
bei denen man annimmt, dass der kosmische Staub ihr sichtbares Licht
teilweise blockiert, im unsichtbaren Infrarot-Licht gemessen. Dazu hatten
sie das von Ende 1995 bis April 1998 aktive Infrared Space Observatory
(ISO) der Europäischen Raumfahrtagentur ESA auf 63 Spiral- and
Zwerggalaxien in dem benachbarten Virgo-Cluster ausgerichtet - die
Virgo-Galaxien werden als repräsentativ für die Mehrzahl von Galaxien in
unserem Universum angesehen. Dank der außergewöhnlichen Empfindlichkeit
der ISOPHOT-Kamera im langwelligen Infrarotbereich ist so die erste
statistische Übersicht der gesamten Infrarotemission von "normalen"
Galaxien entstanden.
Dabei entdeckten die Forscher in fast allen gemessenen Galaxien intensive
Infrarot-Emissionen von sehr kalten Staub-Partikeln. Zu ihrer Überraschung
stellten die Astronomen fest, dass die Temperatur des kalten Staubes in
den Virgo-Galaxien mit bis zu minus 263 Grad Celsius nur zehn Grad über
dem Absoluten Nullpunkt liegt. In der Konsequenz müssen jetzt in der
Astronomie die bisher gemessenen Massen des kosmischen Staubs in diesen
Galaxien um den Faktor zehn erhöht werden. Die ISO-Daten zeigen zudem,
dass in normalen Galaxien bis zur Hälfte des gesamten Energie-Ausstoßes
der Sterne von sichtbarem optischen Licht in Infrarot-"Licht" umgewandelt
wird - auch das ist deutlich mehr, als bisher erwartet worden war. Daraus
ergibt sich die Notwendigkeit, auch die Schätzungen des insgesamt von den
Sternen abgestrahlten Lichts entsprechend nach oben zu korrigieren.
Doch die größte Überraschung lieferten bei diesen Messungen die so
genannten blauen kompakten Zwerggalaxien im Virgo-Cluster. Diese Galaxien
werden deshalb so bezeichnet, weil sie im optischen Bereich mit kaum einem
Zehntel der Größe unserer Galaxie erscheinen und von jungen, massiv in
blauem Licht leuchtenden Sternen überstrahlt werden, von denen jeder
zehntausend Mal heller als unsere Sonne strahlt. Deshalb wurde bisher
vermutet, kosmischer Staub, der diesem intensiven Licht ausgesetzt ist,
müsse sehr warm sein. Stattdessen entdeckten die Astronomen bei diesen
Zwerggalaxien große Mengen sehr kalten Staubs - den kältesten Staub in
allen beobachteten Galaxien im Virgo-Cluster. Die Wissenschaftler gehen
davon aus, dass dieser Staub deshalb so kalt ist, weil er sich nicht
innerhalb sondern weit außerhalb dieser Galaxien befindet, in großer
Entfernung von den hell strahlenden Sternen. Die
Max-Planck-Wissenschaftler vermuten deshalb: "Die Infrarot-Augen von ISO
könnten eine staubige Mischung intergalaktischer Materie aufgespürt haben,
aus der sich die Galaxie noch weiter entwickelt."
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