STERNE
Die
rätselhaften Hüllen der Sonnen
Redaktion
astronews.com
5. April
2002
In der nächsten Woche treffen sich in Tübingen über 80 Wissenschaftler um die
Modellierung von so genannten Sternatmosphären zu diskutieren. Was sich zunächst recht
technisch anhört, ist ein äußerst spannendes Gebiet der astrophysikalischen
Forschung, stammt doch schließlich alles Licht, das wir von einem Stern sehen
können, aus diesen äußeren Schichten der fernen Sonnen.
Das Licht, das man von einem fernen Stern empfängt, ist praktisch die einzige Informationsquelle, die wir über die
Sterne haben. Wird es in seine Spektralfarben zerlegt, sind dunkle
Absorptionslinien zu erkennen, die als Fingerabdruck der chemischen Elemente
bezeichnet werden könnten. Diese Spektrallinien wurden zum ersten Mal 1814 von
Fraunhofer im Licht der Sonne entdeckt. Kirchhoff und Bunsen identifizierten sie
1860 als die charakteristischen Linien, die von den verschiedenen Elementen in
einem glühenden Gas erzeugt werden. Die physikalische Erklärung der
Spektrallinien durch Bohr und Sommerfeld war ein erster großer Erfolg der Atom-
und Quantenphysik zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Das genaue Aussehen dieser Absorptionslinien verrät sehr viel über den Stern,
von dem das Licht herkommt. Man kann aufgrund der Absorptionslinien nicht nur
die chemischen Elemente identifizieren, die ihn zusammen setzen, sondern auch
die Häufigkeit ihres Vorkommens analysieren. Es gelingt weiterhin, z.B. die
Oberflächentemperatur der Sterne zu bestimmen, deren Masse und Leuchtkraft. Die
Kunst, diese Information aus den Sternspektren herauszulesen, bezeichnet man als
"Spektralanalyse''. Grundlage hierfür ist die Simulation der Sternatmosphären im
Computer, also die theoretische Vorhersage, wie das Spektrum eines Sterns mit
einer bestimmten Temperatur und chemischen Zusammensetzung aussieht.
Das Hauptproblem besteht darin, herauszufinden, wie das Licht, das im Inneren
der Sterne durch die Verschmelzung von Atomkernen entsteht, durch die heiße
Sternhülle transportiert wird. Dies ist das Thema des Symposiums, zu dem sich
mehr als 80 Spezialisten aus 18 Ländern zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch
treffen. Das Verständnis der Vorgänge in den Sternatmosphären ist sowohl von
grundlegender Bedeutung für unser Wissen über die Entwicklung der Sterne als
auch für unser Bild vom Universum als Ganzes. Die leuchtkräftigsten Sterne sind
so hell, dass man sie mit den größten Teleskopen auch noch in weit entfernten
Galaxien sehen kann. Sie repräsentieren Meilensteine im Kosmos, mit denen wir
das Universum vermessen. Explodierende Sterne, so genannte Supernovae, sind über
einige Tage und Wochen hinweg so hell, dass man sie sogar noch sehen kann, wenn
sie am Rande des uns bekannten Universums stehen. Die Beobachtung und
Interpretation des Lichts dieser Sterne ist wesentliche Grundlage für die
jüngste Erkenntnis, dass wir in einem beschleunigt und ewig expandierenden
Universum leben. Diese überraschende Erkenntnis wird auch Auswirkungen auf die
Grundlagen der modernen Physik haben.
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