Neutrinos sind mysteriöse Teilchen, deren Existenz nur mit großen
Schwierigkeiten nachzuweisen ist. Inzwischen sind sich die Forscher
allerdings sicher, dass Neutrinos existieren und sogar über eine geringe
Masse verfügen. Der Standardtheorie nach gibt es drei verschiedene
Neutrinoarten. Amerikanische Wissenschaftler glauben allerdings, dass es
noch einen Typ mehr gibt: das sterile Neutrino.
Unsere Sonne: Lösung des solaren
Neutrinoproblems könnte vierten Neutrinotyp
erfordern.
Foto: NSSDC/NASA |
Neutrinos sind geisterhafte Teilchen, die gängigen Modellen nach
beispielsweise während der Fusionsprozesse in der Sonne entstehen und dann
die Erde und jeden Menschen durchlaufen als wäre dort gar nichts. Oder
besser: fast gar nichts. Äußerst selten nämlich kann ein Neutrino mit
anderen Atomen wechselwirken. Und obwohl Milliarden dieser Teilchen pro
Sekunde durch die Erde hindurchströmen ist es ein äußerst aufwendiges
Geschäft genaue Daten über sie zu erhalten.
Neutrinos wurden zuerst von Wolfgang Pauli vor 70 Jahren postuliert und
seit dieser Zeit versucht man, mehr über diese Teilchen zu erfahren, da
sie unter anderem auch für einen Teil der dunklen Materie verantwortlich
gemacht werden. Dazu müssten Neutrinos allerdings eine Masse haben, aber
dies, so die aktuelle Theorie, ist fast schon gesichert. Die Wissenschaftler
folgern die Masse der Neutrinos aus der Beobachtung der drei verschiedenen Neutrinoarten: dem
Elektron-Neutrino, dem Tau-Neutrino und dem Mu-Neutrino. Man stellte
nämlich fest, dass nicht die Zahl der solaren Elektron-Neutrinos die Erde
erreicht, die - nach den als recht gesichert geltenden Theorien über die
Fusionsprozesse in der Sonne - zu erwarten wären. Gleichzeitig beobachtete
man, dass sich Mu-Neutrinos, die in unserer Atmosphäre entstehen, in eine
andere Neutrinoart umwandeln. Die Forscher sprechen hier von
Neutrino-Oszillationen.
Die Erklärung für das beobachtete Defizit an Elektron-Neutrinos liegt
nach Ansicht der Forscher genau an diesen Oszillationen: Die
Elektron-Neutrinos wandeln sich auf dem Weg zur Erde in einen anderen
Neutrinotyp um. Die Oszillationen aber haben eine wichtige Konsequenz:
Damit sie möglich sind, müssen Neutrinos über eine Masse verfügen,
können also nicht, wie lange Zeit angenommen,. masselos sein. Auch im Los
Alamos Laboratory im US-Bundesstaat Neu-Mexiko versuchte man in den Jahren
1993 bis 1998 den Neutrinos auf die Spur zu kommen: Neben einer
künstlichen Neutrinoquelle stellte man einen Tank mit 167 Tonnen Babyöl in
das ein Stoff gelöst war, der mit den Neutrinos wechselwirken sollte. Die
Spur der so entstehenden geladenen Teilchen wollte man mit insgesamt 1.220
Detektoren verfolgen.
Nun liegt der Abschlußbericht der Untersuchungen in Neu-Mexiko vor:
Auch die amerikanischen Forscher fanden Neutrino-Oszillationen und machten
darüber hinaus eine vielleicht dramatische Entdeckung: Durch die
Oszillationen kann man im wesentlichen den Massenunterschied zwischen den
Neutrinotypen messen. Doch bei den insgesamt drei Experimenten (Solare
Neutrinos, atmosphärische Neutrino und denen in Los Alamos) entdeckte man
drei verschiedene Massendifferenzen. Bei drei Neutrinotypen sollte es
allerdings nur zwei unabhängige Massenunterschiede geben. Daher folgern
die Forscher, dass es einen vierten Neutrinotyp geben muss - das sterile
Neutrino.
"Diese Ergebnisse werden eine ganze Menge durcheinander bringen", so
David Caldwell von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara. Und
vermutlich werden noch lange Zeit Zweifel bleiben, ob das sterile Neutrino
wirklich existiert. Zum einen ist es sehr schwer theoretisch zu verstehen,
zum anderen ist es direkt nicht nachweisbar. Auf weitere Ergebnisse darf
man also gespannt sein.